Der Bundesgerichtshof

PRESSEMITTEILUNGEN
 
XML RSS

Dokumentsuche

Datum

Nummer

Suchbegriff

[Icon: Dreieck] Hilfe

 

Kalender
Apr.
Mai
Juni
Juli
Aug.
Sep.
Okt.
Nov.
Dez.

Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Jahr 2024 » Pressemitteilung Nr. 112/21 vom 18.6.2021

Siehe auch:  Urteil des VIII. Zivilsenats vom 21.7.2021 - VIII ZR 357/20 -, Urteil des VIII. Zivilsenats vom 21.7.2021 - VIII ZR 275/19 -, Urteil des VIII. Zivilsenats vom 21.7.2021 - VIII ZR 118/20 -, Urteil des VIII. Zivilsenats vom 21.7.2021 - VIII ZR 254/20 -, Beschluss des VIII. Zivilsenats vom 26.1.2021 - VIII ZR 357/20 -

Anfang der DokumentlisteDokumentlisteEnde der Dokumentliste

Druckansicht

Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 112/2021

Verhandlungstermin am 21. Juli 2021, 9.30 Uhr im Saal E 101

in Sachen VIII ZR 254/20, VIII ZR 118/20, VIII ZR 275/19 und

VIII ZR 357/20 (Anspruch des Käufers auf Ersatzlieferung

bei Fahrzeug mit Dieselmotor EA 189?)

Für diesen Verhandlungstermin sind vier Verfahren terminiert, in denen die Käufer vor geraumer Zeit (in den Jahren 2009 oder 2010) jeweils ein mit einem Dieselmotor EA 189 ausgestattetes Neufahrzeug erworben hatten. Allen Fällen ist weiter gemeinsam, dass die Käufer ihr Nachlieferungsbegehren erstmals sieben oder acht Jahre nach dem Abschluss des Kaufvertrages geltend gemacht hatten und das ursprünglich erworbene Fahrzeugmodell zum Zeitpunkt des Nachlieferungsverlangens nicht mehr hergestellt wurde. Die jeweiligen Verkäufer haben die Einrede der Verjährung nicht erhoben beziehungsweise hatten auf die Einrede – auch soweit Verjährung bereits eingetreten war - ausdrücklich verzichtet. In allen vier Verfahren hatten die Käufer die Kraftfahrzeuge zudem als Verbraucher erworben, so dass sie im Falle einer Nachlieferung für die Nutzung des zunächst gelieferten mangelhaften Fahrzeugs keinen Ersatz schulden (§ 474 Abs. 5 BGB aF bzw. § 475 Abs. 3 BGB nF).

Die Berufungsgerichte haben die Verkäufer in zwei Fällen zu der vom Käufer begehrten Ersatzlieferung verurteilt; in den beiden anderen Fällen hatten die Käufer mit ihrem Begehren auf Nachlieferung eines Neufahrzeugs keinen Erfolg.

Im Verfahren VIII ZR 254/20 hatte der Kläger aufgrund Kaufvertrags vom 20. April 2009 von der beklagten Vertragshändlerin einen fabrikneuen VW-Tiguan zum Preis von 27.618,64 € erworben. Dieses Modell wird seit dem Jahr 2013 nicht mehr hergestellt; das Nachfolgemodell verfügt über einen Motor der Baureihe EA 288 und die Schadstoffklasse Euro 6. Ein Aufspielen des Software-Updates lehnte der Käufer mit Schreiben vom 7. März 2017 ab und forderte stattdessen die Nachlieferung eines fabrikneuen typengleichen Fahrzeugs. Die auf Neulieferung eines fabrikneuen Fahrzeugs Zug-um-Zug gegen Rückgabe des mangelhaften Fahrzeugs gerichtete Klage hat in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Köln Erfolg gehabt.

Das Oberlandesgericht Köln (18 U 59/18) hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dem Käufer stehe wegen des in der fehlerhaften Software liegenden Mangels des Fahrzeugs der geltend gemachte Anspruch auf Nachlieferung eines Neufahrzeugs zu. Der zwischenzeitliche Modellwechsel führe nicht dazu, dass der Anspruch wegen Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen sei. Aus der maßgeblichen Sicht der Parteien sei auch ein Fahrzeug der neuen Generation geeignet, den Nachlieferungsanspruch des Käufers zu erfüllen. Die Nachlieferung sei auch nicht unverhältnismäßig nach § 439 Abs. 3 BGB aF. Auf eine (kostengünstige) Nachbesserung durch ein Aufspielen des Updates müsse sich der Kläger nicht verweisen lassen, weil nicht feststehe, dass keine Folgeprobleme entstünden. Die Nachlieferung sei auch nicht absolut unverhältnismäßig. Dies gelte selbst bei Zugrundelegung des von der Beklagten vorgetragenen, rund 70 % höheren Beschaffungspreis für das Nachfolgemodell. Denn einerseits reduziere sich ihr Beschaffungsaufwand durch den Restwert des ursprünglichen Fahrzeugs und andererseits könne sie gemäß § 478 BGB aF bei der Herstellerin des Fahrzeugs Regress nehmen.

Im Verfahren VIII ZR 118/20 hatte der Kläger aufgrund Kaufvertrags vom 29. April/15. Mai 2009 von der beklagten Vertragshändlerin ein fabrikneues Fahrzeug VW-Golf zum Preis von 17.181,03 € erworben. Die Herstellerin dieses Fahrzeugtyps beendete die Produktion dieser Modellreihe im Juni 2009 und stellte sie auf eine neue Modellreihe (mit einem die Anforderung der Euro-6 Norm erfüllenden Motor EA 288) um. Auch in diesem Fall lehnte der Käufer das ihm angebotene Aufspielen eines Updates ab und verlangte mit Schreiben vom 31. Juli 2017 die Lieferung eines Neuwagens. Die Klage des Käufers auf Nachlieferung hat auch hier vor dem Oberlandesgericht Köln (6 U 24/19) Erfolg gehabt. Die Nachlieferung sei nicht wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen, da das Nachfolgemodell erfüllungstauglich sei. Der Umstand, dass die Einführung des Nachfolgemodells bei Abschluss des Kaufvertrags unmittelbar bevorgestanden habe, ändere daran nichts. Die Beklagte könne die Nachlieferung auch nicht § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB aF wegen relativer Unverhältnismäßigkeit der Kosten der Ersatzbeschaffung im Vergleich zur Nachbesserung verweigern. Denn die Beklagte habe nicht ausreichend dargelegt, inwiefern der Mangel allein durch ein Update der Software in der Weise behoben werden könne, dass dem Käufer keine anderweitigen Nachteile wie etwa erhöhter Verbrauch, geringere Laufleistung und höhere Lautstärke entstünden.

Im Verfahren VIII ZR 275/19 hatte der Kläger am 23. Oktober 2009 ein Neufahrzeug Audi A 5 Sportback zum Preis von 45.070 € bei der beklagten Autohändlerin bestellt. Mit Anwaltsschreiben vom 11. Oktober 2016 verlangte er die Nachlieferung eines Fahrzeugs aus der nunmehr aktuellen Modellreihe und erhob im Februar 2017 eine entsprechende Klage. Diese Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht (Saarländisches Oberlandesgericht - 2 U 92/17) hat darauf abgestellt, dass sich die Beklagte gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Ersatzlieferung auf die Einrede der relativen Unverhältnismäßigkeit gemäß § 439 Abs. 3 aF, jetzt § 439 Abs. 4 BGB) berufen könne. Die mit 10.170,71 € zu veranschlagenden Kosten der Nachlieferung überstiegen die Kosten der Nachbesserung (100 €) bei weitem. Der Kläger habe auch nicht substantiiert dargetan, dass das Aufspielen des Updates zu neuen Mängeln an dem Fahrzeug führe.

Im Verfahren VIII ZR 357/20 hatte der Kläger von der beklagten Herstellerin im Januar 2010 ein Neufahrzeug VW-Tiguan zum Preis von 28.662,01 € erworben. Mit Schreiben vom 18. März 2018 forderte er die Beklagte vergeblich zur Lieferung eines mangelfreien typengleichen Neufahrzeugs aus der aktuellen Modellreihe, Zug um Zug gegen Rückgabe des mangelhaften Fahrzeugs, auf. Diesen Anspruch hat er im vorliegenden Verfahren als Hauptantrag weiterverfolgt und hilfsweise Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs, und weiter hilfsweise Zug um Zug gegen Zahlung einer Nutzungsentschädigung begehrt. Der Hauptantrag auf Ersatzlieferung hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt, während dem Hilfsantrag auf Schadensersatz teilweise – nämlich unter Abzug einer Nutzungsentschädigung für (im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung mit dem Fahrzeug zurückgelegte) 257.568 Kilometer – stattgeben worden ist.

Die auf Nachlieferung gerichtete Klage hat das Berufungsgericht (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht - 6 U 43/19) dagegen für unbegründet erachtet, weil die Beklagte – angesichts von Ersatzbeschaffungskosten von 9.000 € und Nachbesserungskosten das Aufspielen des Update von nur 100 € - mit Erfolg die Einrede der relativen Unverhältnismäßigkeit erhoben habe. Dazu, dass das Update zu neuen Mängeln führe, habe der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht ausreichend substantiiert vorgetragen. Soweit er auf geringere Motorleistungen, erhöhten Wartungsaufwand und höheren Verbrauch hingewiesen habe, handele es sich um bloße Vermutungen ohne objektivierbare Grundlage.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 434 BGB Sachmangel

(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,

1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst

2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

[…]

§ 439 BGB Nacherfüllung

(in der gemäß Art. 229 § 39 EGBGB für vor dem 1. Januar 2018 entstandene Schuldverhältnisse geltenden Fassung)

(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.

[…]

(3) Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt.

[…]

§ 474 BGB Begriff des Verbrauchsgüterkaufs; anwendbare Vorschriften

(in der bis 1. Januar 2018 geltenden Fassung)

[…]

(5) Auf die in diesem Untertitel geregelten Kaufverträge ist § 439 Abs. 3 BGB mit der Maßgabe anzuwenden, dass Nutzungen nicht herauszugeben oder durch ihren Wert zu ersetzen sind.

[…]

Vorinstanzen:

VIII ZR 254/20

OLG Köln - 18 U 59/18 – Entscheidung vom 30. Juli 2020

LG Aachen - 8 O 264/17 – Entscheidung vom 13. April 2018

und

VIII ZR 118/20

OLG Köln - 6 U 24/19 – Entscheidung vom 27. März 2020

LG Aachen - 11 O 429/17 - Entscheidung vom 17. Januar 2019

und

VIII ZR 275/19

OLG Saarbrücken - 2 U 92/17 - Entscheidung vom 28. August 2019

LG Saarbrücken - 12 O 14/17 – Entscheidung vom 5. Oktober 2017

und

VIII ZR 357/20

OLG Schleswig - 6 U 43/19 – Entscheidung vom 03. April 2020

LG Itzehoe - 6 O 167/18 - Entscheidung vom 14. Juni 2019

Karlsruhe, den 18. Juni 2021

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

Druckansicht