Der Bundesgerichtshof

PRESSEMITTEILUNGEN
 
XML RSS

Dokumentsuche

Datum

Nummer

Suchbegriff

[Icon: Dreieck] Hilfe

 

Kalender
Apr.
Mai
Juni
Juli
Aug.
Sep.
Okt.
Nov.
Dez.

Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Jahr 2024 » Pressemitteilung Nr. 110/21 vom 16.6.2021

Siehe auch:  Urteil des V. Zivilsenats vom 18.3.2022 - V ZR 269/20 -, Urteil des V. Zivilsenats vom 22.10.2021 - V ZR 44/20 -, Urteil des V. Zivilsenats vom 22.10.2021 - V ZR 8/20 -, Urteil des V. Zivilsenats vom 22.10.2021 - V ZR 69/20 -, Urteil des V. Zivilsenats vom 22.10.2021 - V ZR 225/19 -

Anfang der DokumentlisteDokumentlisteEnde der Dokumentliste

Druckansicht

Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 110/2021

Verhandlungstermin am 25. Juni 2021 um 9:45 Uhr

in Sachen V ZR 225/19 u.a. (Freiland-Photovoltaikanlage)

Der unter anderem für das Sachenrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt in vier Parallelverfahren über die Frage, ob Solarmodule, die in eine Freiland-Photovoltaikanlage eingebaut sind, Gegenstand besonderer Rechte sein können.

Sachverhalt:

Kläger ist in allen vier Verfahren der Insolvenzverwalter einer Gesellschaft, die im Jahr 2010 eine Freiland-Photovoltaikanlage mit insgesamt 5.000 Photovoltaikmodulen, neun Wechselrichtern und einer Gesamtleistung von 1.050 kWp erwarb, welche zuvor auf dem Grundstück eines Dritten errichtet worden war. Die Gesellschaft erhielt an dem Grundstück ein Nutzungsrecht. Ende 2010 verkaufte sie die Module dieser Anlage an insgesamt 65 Kapitalanleger. Diese sollten gemäß den jeweiligen Kaufverträgen – mit Unterschieden in den Einzelheiten – das Eigentum an einer bestimmten Anzahl von Modulen nebst einem Miteigentumsanteil an der Unterkonstruktion der Photovoltaikanlage erwerben. Zugleich vermieteten die Anleger die Module an ein Tochterunternehmen der die Module veräußernden Gesellschaft zurück. Im März 2016 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger hat in einer Reihe von Verfahren zunächst die Feststellung begehrt, dass die jeweiligen Beklagten kein Eigentum an den Modulen und der Unterkonstruktion erworben haben. Nachdem die jeweiligen Beklagten Widerklage u.a. auf Herausgabe der Module erhoben hatten, haben die jeweiligen Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Klage für in der Hauptsache erledigt erklärt. Die Oberlandesgerichte München (V ZR 225/19) und Bamberg (V ZR 8/20, V ZR 69/20) haben den Widerklagen stattgegeben, das Oberlandesgericht Karlsruhe (V ZR 44/20 und – nicht zur Verhandlung anstehend – V ZR 269/20) hat sie abgewiesen. Mit seiner Revision in den drei erstgenannten Verfahren verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter, die Beklagten möchten in dem letztgenannten Verfahren erreichen, dass der Widerklage auf Herausgabe der Module stattgegeben wird.

Rechtliche Problemstellung:

Der Fall wirft eine Reihe von Fragen auf, die die Vorinstanzen jeweils unterschiedlich beantwortet haben. So stellt sich zunächst die Frage, ob Solarmodule, die in eine Freiland-Photovoltaikanlage eingebaut werden, gem. § 93 BGB als wesentliche
Bestandteile der Anlage anzusehen sind, was zur Folge hätte, dass sie ohne Trennung von der Anlage nicht gesondert übereignet werden könnten. Das Oberlandesgericht Bamberg verneint dies unter Verweis auf die Austauschbarkeit der Module zum Zeitpunkt des Einbaus. Wird die Frage hingegen bejaht, so wären die Module nur sonderrechtsfähig, wenn sie – wie das Oberlandesgericht München annimmt – als Scheinbestandteile der Anlage anzusehen sein sollten. Das Oberlandesgericht Karlsruhe ist hingegen der Ansicht, die Photovoltaikanlage sei insgesamt als Gebäude i.S.v. § 94 BGB anzusehen. In dieses seien die einzelnen Module zur Herstellung eingefügt worden und hierdurch nach § 94 Abs. 2 BGB zu wesentlichen Bestandteilen der Anlage geworden.

Vorinstanzen:

V ZR 225/19

LG Deggendorf – Urteil vom 18. Januar 2019 – 31 O 274/18

OLG München – Urteil vom 24. Juli 2019 – 3 U 875/19

und

V ZR 8/20

LG Aschaffenburg – Urteil vom 10. Januar 2019 – 13 O 209/18

OLG Bamberg – Urteil vom 10. Dezember 2019 – 6 U 11/19

und

V ZR 44/20

LG Mosbach – Urteil vom 17. Oktober 2018 – 2 O 86/18

OLG Karlsruhe – Urteil vom 24. Januar 2020 – 1 U 175/18

und

V ZR 69/20

LG Würzburg – Urteil vom 1. April 2019 – 71 O 1050/18 Ins

OLG Bamberg – Urteil vom 5. März 2020 – 1 U 122/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 93 BGB Wesentliche Bestandteile einer Sache

Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (wesentliche Bestandteile), können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein.

§ 94 BGB Wesentliche Bestandteile eines Grundstücks oder Gebäudes

(1) 1Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. 2Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks.

(2) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen.

§ 95 BGB Nur vorübergehender Zweck

(1) 1Zu den Bestandteilen eines Grundstücks gehören solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind. 2Das Gleiche gilt von einem Gebäude oder anderen Werk, das in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist.

(2) Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck in ein Gebäude eingefügt sind, gehören nicht zu den Bestandteilen des Gebäudes.

Karlsruhe, den 16. Juni 2021

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

Druckansicht