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Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Jahr 2008 » Pressemitteilung Nr. 13/08 vom 17.1.2008

Siehe auch:  Beschluss des Kartellsenats vom 16.1.2008 - KVR 26/07 -

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Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 13/2008

Fusionskontrolle auf Krankenhauszusammenschlüsse

anwendbar

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Zusammenschluss von Krankenhäusern der Fusionskontrolle nach den §§ 35 bis 43 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unterliegt. Es ging um den Erwerb des Kreiskrankenhauses Bad Neustadt an der Saale durch die Rhön-Klinikum AG (nachfolgend: Rhön AG). Der Kartellsenat hat die Untersagung des Zusammenschlusses durch das Bundeskartellamt bestätigt.

Die Rhön AG gehört zu den führenden privaten Krankenhauskonzernen in Deutschland. Der Landkreis Rhön-Grabfeld betreibt als Eigenbetrieb das Kreiskrankenhaus Bad Neustadt an der Saale. Im September 2004 meldete die Rhön AG beim Bundeskartellamt das Vorhaben an, das Kreiskrankenhaus zu erwerben. Das Bundeskartellamt hat den angemeldeten Zusammenschluss untersagt. Die dagegen eingelegte Beschwerde hat das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde der Zusammenschlussbeteiligten, mit der sie die Freigabe des Zusammenschlusses erreichen wollten, hat der Bundesgerichtshof nun zurückgewiesen.

Der Kartellsenat hat zunächst klargestellt, dass weder die Regelungen des Sozialrechts über die gesetzliche Krankenversicherung noch die Bestimmungen zur Krankenhausfinanzierung die Fusionskontrolle ausschließen. Insbesondere § 69 SGB V unterstelle nur die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern abschließend dem Sozialrecht, verdränge aber nicht die Fusionskontrolle beim Zusammenschluss von Krankenhäusern.

Nach Auffassung des Kartellsenats bieten Krankenhäuser die stationäre Behandlung nicht nur Privatpatienten, sondern auch den gesetzlich versicherten Patienten auf einem Wettbewerbsmarkt im Sinne der deutschen Fusionskontrolle an. Zwar fragten aufgrund des Sachleistungsprinzips der gesetzlichen Krankenversicherung die Krankenkassen die stationären Behandlungsleistungen für Kassenpatienten nach und zahlten das dafür geschuldete Entgelt. Die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern stehe jedoch der Annahme eines Wettbewerbsmarktes nicht entgegen. Auch den Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung stehe ein Wahlrecht hinsichtlich des Krankenhauses zu, in das sie sich zu einer Behandlung begäben. Aufgrund dieser Auswahlentscheidung komme es zu einem eigenen Behandlungsvertrag mit dem jeweiligen Krankenhaus. Weil die Patienten die Entscheidung träfen, bei welchem Krankenhaus die Behandlungsleistung nachgefragt wird, seien sie und nicht die Krankenkassen die fusionsrechtlich maßgebliche Marktgegenseite für das Angebot von Krankenhausleistungen. Zwischen Krankenhäusern bestehe auch erheblicher Qualitätswettbewerb, etwa bei der fachlichen Qualifikation von Ärzten und Pflegepersonal oder der sachlichen Ausstattung.

Der Kartellsenat teilt die Erwartung von Oberlandesgericht und Bundeskartellamt, dass der Zusammenschluss zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung der Rhön AG auf dem Markt für akutstationäre Krankenhausdienstleistungen im Gebiet Bad Neustadt/Bad Kissingen führen würde. Jedenfalls bei einer Fusion von Allgemeinkrankenhäusern sei der sachlich relevante Markt nicht nach medizinischen Fachabteilungen abzugrenzen. Die Gebiete Schweinfurt und Würzburg seien nicht in den räumlich relevanten Markt einzubeziehen, da Patienten aus diesen Gebieten kaum Krankenhäuser in Bad Neustadt/Bad Kissingen aufsuchten. Krankenhäuser in Schweinfurt und Würzburg stellten allerdings umgekehrt für Patienten aus Bad Neustadt/Bad Kissingen eine Behandlungsmöglichkeit dar, die auch in nicht unerheblichem Umfang wahrgenommen werde. Diese Krankenhäuser seien deshalb als Anbieter im räumlich relevanten Markt zu berücksichtigen. Die Rhön AG halte hier schon jetzt einen Marktanteil von deutlich über 40%. Es könne dahinstehen, ob daraus bereits eine marktbeherrschende Stellung folge. Jedenfalls würde durch den Zusammenschluss eine solche Stellung begründet oder verstärkt werden. Das ergebe sich aus der zu erwartenden Addition von Marktanteilen, dem Marktanteilsabstand zu dem nächstgrößeren Wettbewerber in Schweinfurt und der weiteren Verstärkung der in vielfacher Hinsicht schon bestehenden Überlegenheit der Rhön AG, etwa durch Optimierung der Auslastungsquoten im Wege konzerninterner Steuerung der Patientenströme und durch Synergieeffekte, die wegen der räumlicher Nähe der am Zusammenschluss beteiligten Krankenhäuser ermöglicht würden.

Beschluss vom 16. Januar 2008 – KVR 26/07

OLG Düsseldorf - Beschluss vom 11.4.2007 – VI Kart 6/05 (V)

WuW/E DE-R1958

Karlsruhe, den 17. Januar 2008

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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