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Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Jahr 2021 » Pressemitteilung Nr. 228/21 vom 16.12.2021

Siehe auch:  Urteil des VII. Zivilsenats vom 16.12.2021 - VII ZR 389/21 -

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Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 228/2021

Bundesgerichtshof entscheidet über Schadensersatzansprüche gegen die AUDI AG im Zusammenhang mit einem

"verbrieften Rückgaberecht"

Urteil vom 16. Dezember 2021 - VII ZR 389/21

Der unter anderem für Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben, zuständige VII. Zivilsenat hat über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Einbau eines Motors des Typs EA 897 in ein von der AUDI AG hergestelltes Fahrzeug vor dem Hintergrund der Nichtausübung eines darlehensvertraglich verbrieften Rückgaberechts entschieden.

In dem ursprünglich ebenfalls zur Verhandlung anstehenden Verfahren VII ZR 256/21, das die Haftung der AUDI AG und der Volkswagen AG für die sog. Aufheizstrategie betraf (vgl. Pressemitteilung Nr. 207/2021), ist die Revision der beiden beklagten Motor- bzw. Fahrzeugherstellerinnen zurückgenommen worden.

Sachverhalt:

Der Kläger nahm die beklagte Motor- und Fahrzeugherstellerin - die AUDI AG - auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch.

Der Kläger erwarb im Februar 2017 einen von der AUDI AG hergestellten Pkw Audi A6 Avant 3.0 TDI (Euro 6) als Gebrauchtwagen zum Preis von 46.800 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der AUDI AG hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 897 ausgestattet.

Der Kaufpreis wurde finanziert über ein Darlehen der AUDI Bank. Der Darlehensvertrag verbriefte ein Rückgaberecht des Klägers dergestalt, dass er das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Schlussrate in der 9. Kalenderwoche 2021 an die Verkäuferin zu einem bereits festgelegten Kaufpreis zurückübertragen konnte. Der Kläger hat davon keinen Gebrauch gemacht.

Das Fahrzeug unterlag einem im Jahr 2018 erlassenen verpflichtenden Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung bzw. der unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems. Der Kläger ließ ein vom KBA freigegebenes Software-Update im Januar 2019 auf sein Fahrzeug aufspielen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die in der Hauptsache auf Erstattung des Kaufpreises und der Finanzierungskosten unter Abzug einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gerichtete Klage war in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat mit dem heute verkündeten Urteil auf die Revision des Klägers das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Hinsichtlich des verbrieften Rückgaberechts, das dem Kläger bei der Finanzierung des Fahrzeugkaufpreises eingeräumt worden war, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Schaden des Klägers nicht dadurch nachträglich entfallen ist, dass er dieses Recht nicht ausgeübt, sondern das Finanzierungsdarlehen vollständig abgelöst hat.

Nach der allgemeinen Lebenserfahrung hätte der Kläger den Kaufvertrag in Kenntnis der - revisionsrechtlich zu unterstellenden - unzulässigen Abschalteinrichtung und wegen des daraus resultierenden Stilllegungsrisikos nicht abgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 Rn. 19, 49 ff., BGHZ 225, 316; Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 397/19 Rn. 16, WM 2020, 1642). Der Schaden liegt in der Eingehung einer ungewollten Verpflichtung (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 Rn. 47 f., BGHZ 225, 316).

Dass der Kläger das Darlehen vollständig ablöste, anstatt das Fahrzeug zu den beim Erwerb festgelegten Konditionen an die Verkäuferin zurückzugeben, macht diese Verletzung seines wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts nicht ungeschehen. Der Nichtausübung des Rückgaberechts ist keine Zustimmung zu dem ursprünglich ungewollten Vertragsschluss zu entnehmen. Allein der Fortführung des ursprünglich geschlossenen Finanzierungsvertrages durch Zahlung der Schlussrate kommt kein Bestätigungswille im Hinblick auf den Kaufvertrag zu.

Dem Kläger ist auch keine Verletzung einer Obliegenheit zur Schadensminderung anzulasten. Das Risiko, bei Ausübung des Rückgaberechts wirtschaftlich schlechter zu stehen als bei einem Vorgehen - wie hier - im Wege des Schadensersatzes gemäß § 249 Abs. 1 BGB, musste der Kläger nicht eingehen.

Die Rechtsprechung des Senats zur Berechnung des Nutzungsersatzes im Rahmen von Leasingverträgen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 192/20 Rn. 40 ff., WM 2021, 2056) ist auf den finanzierten Eigentumserwerb unter Einräumung eines Rückgaberechts nicht übertragbar. Die Darlehensraten sind keine Gegenleistung für die Einräumung der Nutzungsmöglichkeit. Ein Leasingnehmer erwirbt nur die Möglichkeit zur Nutzung für einen begrenzten, vorher festgelegten Zeitraum zu bestimmten, mit dem Leasinggeber vereinbarten Bedingungen. Dagegen beruht der fremdfinanzierte Kauf trotz der Rückgabeoption auf einer Investitionsentscheidung, die von vornherein auf den Eigentumserwerb gerichtet ist und dem Erwerber erst die Möglichkeit verschafft, das Fahrzeug dem Finanzierungsgeber zur Sicherung zu übereignen. Ein widersprüchliches, womöglich den Anspruch gemäß § 242 BGB ausschließendes Verhalten des jeweiligen Klägers ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar.

Da das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu den übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 826 BGB getroffen hat, war die Sache nicht zur Endentscheidung reif.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 31 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.

§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

§ 249 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Vorinstanzen:

VII ZR 389/21

Landgericht Hildesheim – Urteil vom 27. November 2019 – 2 O 40/19
Oberlandesgericht Celle – Urteil vom 31. März 2021 – 7 U 27/20 (S.7a)

Karlsruhe, den 16. Dezember 2021

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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