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Bundesgerichtshof
Nr. 52/2004
Landwirte müssen für Nachbau bezahlen Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, daß Landwirte für den Nachbau mit selbst gewonnenem Saatgut geschützter Sorten die von den Sortenschutzinhabern geforderte Vergütung zahlen müssen. An Saatgut, das Landwirte für die Aussaat erwerben, besteht in der Regel ein Schutzrecht des Pflanzenzüchters nach europäischem oder deutschem Sortenschutzrecht, das ihm – ähnlich wie bei einem Patent – Ausschließlichkeitsrechte gewährt. Die gesetzliche Regelung sieht jedoch vor, daß der Landwirt das Vermehrungsmaterial, das er selbst aus dem Anbau geschützten Saatguts gewinnt, erneut für die Aussaat verwenden darf. Seit einigen Jahren gewähren jedoch die europäische Gemeinschaftssortenschutzverordnung und das deutsche Sortenschutzgesetz dem Sortenschutzinhaber für diesen Nachbau einen Anspruch auf angemessene Vergütung. Die Höhe dieser Vergütung soll nach dem Gesetz deutlich niedriger sein als die Lizenzgebühr, die die Pflanzenzüchter für die Herstellung ihres geschützten Saatguts durch einen Lizenznehmer verlangen. Das Gesetz sieht weiter vor, daß zwischen den berufsständischen Vereinigungen der Pflanzenzüchter und der Landwirte Vereinbarungen über die Angemessenheit dieser Vergütung geschlossen werden können; diese Vereinbarungen dürfen jedoch den Wettbewerb auf dem Saatgutsektor nicht ausschließen. 1996 schlossen der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter und der Deutsche Bauernverband eine solche Vereinbarung, nach der die Nachbauvergütung 80% der üblichen Lizenzgebühr betragen soll. Auf der Grundlage dieses Abkommens schloß die Klägerin – eine Gesellschaft, die die Pflanzenzüchter mit der Wahrnehmung ihrer Rechte beauftragt haben – mit den einzelnen Landwirten Vereinbarungen, in denen sich diese verpflichteten, für den Nachbau die in dem Abkommen vorgesehene Vergütung von 80% des üblichen Lizenzsatzes zu zahlen. Auch die Beklagten, ein Landwirt in Niedersachen und ein Landwirt in Bayern, unterzeichneten eine solche Nachbauvereinbarung. Mit den vorliegenden Klagen verlangt die Klägerin von den beiden Beklagten die entsprechende Nachbauvergütung, in dem einen Fall etwa 350 €, im anderen etwa 3.000 €. Die beklagten Landwirte haben – ebenso wie eine Vielzahl ihrer Kollegen – diese Zahlung verweigert. Sie berufen sich darauf, daß die gebündelte Geltendmachung des Vergütungsanspruchs durch die Klägerin ein verbotenes Kartell darstelle. Außerdem haben sie die Vereinbarung, mit der sie sich zur Zahlung einer Nachbauvergütung entsprechend dem Abkommen verpflichtet haben, wegen arglistiger Täuschung angefochten; die Klägerin habe bei den Vertragsverhandlungen den unzutreffenden Eindruck erweckt, als ob die Vergütungshöhe gesetzlich fixiert sei. In dem einen der beiden Verfahren war das Landgericht Hannover dem Beklagten gefolgt und hatte in der gemeinsamen Geltendmachung des Vergütungsanspruchs durch die Beklagte ein verbotenes Kartell gesehen. Das Oberlandesgericht Celle hatte jedoch der Klage stattgegeben. In dem anderen Verfahren hatten die Vorinstanzen (Landgericht München I und OLG München) der Klage ebenfalls stattgegeben. Der Bundesgerichtshof hat die Urteile der Oberlandesgerichte bestätigt. In der gesetzlichen Regelung über die Nachbauvergütung liege eine Ausnahme vom Kartellverbot. Die deutschen und die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über den Sortenschutz enthielten Regelungen, die die Bildung einheitlicher Vergütungssätze für das Nachbaurecht begünstigten. Nach der gesetzlichen Regelung komme eine individuelle Geltendmachung des Vergütungsanspruchs durch die einzelnen Pflanzenzüchter aus Praktikabilitätsgründen kaum in Betracht. Alles sei auf eine kollektive Wahrnehmung dieser Rechte ausgerichtet. Dazu zähle auch die Möglichkeit, die Höhe der angemessenen Vergütung in einem Rahmenvertrag zwischen den berufsständischen Vereinigungen festzulegen. Die Anfechtung der von den beklagten Landwirten unterzeichneten Vereinbarung wegen arglistiger Täuschung hat auch der Bundesgerichtshof nicht durchgreifen lassen. Aus der Sicht der Klägerin habe keine Veranlassung bestanden, darauf hinzuweisen, daß der Vergütungssatz individuell hätte ausgehandelt werden können. Vielmehr sei die Klägerin mit Recht davon ausgegangen, daß aufgrund des Abkommens der Vergütungssatz bei 80% der üblichen Lizenzgebühr liege. Auch bei einer Abrechnung allein aufgrund der gesetzlichen Regelung sei daher zum damaligen Zeitpunkt aus ihrer Sicht kein anderer Vergütungssatz in Betracht gekommen. Eine arglistige Täuschung scheide unter diesen Umständen aus. Urteile vom 11. Mai 2004 - KZR 37/02 und KZR 4/03 – Karlsruhe, den 11. Mai 2004 Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe Telefon (0721) 159-5013 Telefax (0721) 159-5501
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