Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 14. Senats vom 2.12.2014 - B 14 AS 66/13 R -, Urteil des 4. Senats vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R -, Urteil des 14. Senats vom 2.12.2014 - B 14 AS 8/13 R -, Urteil des 14. Senats vom 2.12.2014 - B 14 AS 60/13 R -, Urteil des 4. Senats vom 5.6.2014 - B 4 AS 32/13 R -, Urteil des 14. Senats vom 2.12.2014 - B 14 AS 56/13 R -, Urteil des 14. Senats vom 2.12.2014 - B 14 AS 50/13 R -, Urteil des 14. Senats vom 2.12.2014 - B 14 AS 35/13 R -
Kassel, den 2. Dezember 2014
Terminbericht Nr. 55/14
(zur Terminvorschau Nr. 55/14)
Der 14. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung
vom 2. Dezember 2014.
1) Die Revision des Klägers hatte im
Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG Erfolg. Der Senat konnte
nicht abschließend darüber entscheiden, ob dem möglichen
Anspruchsinhaber R. der vom Kläger als überörtlichem Träger der
Sozialhilfe nach dem SGB XII geltend gemachte Anspruch auf Leistungen
für Unterkunft und Heizung gegenüber dem Beklagten zusteht. Das
Verfahren leidet bereits an einem von Amts wegen zu beachtenden
Verfahrensmangel, denn der mögliche Anspruchsinhaber R. hätte gemäß § 75
Abs 2 Alt 1 SGG notwendig beigeladen werden müssen. Es lässt sich ferner
mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen zu den
Voraussetzungen einer Leistungsberechtigung nach § 7 Abs 1 SGB II nicht
abschließend über den geltend gemachten Anspruch entscheiden.
Schließlich ist das LSG bei der Beurteilung der Frage, ob R. in einer
"stationären Einrichtung" iS des § 7 Abs 4 S 1 SGB II untergebracht war,
von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen. Es hat sich
dabei an den Kriterien orientiert, die die Rechtsprechung zu § 7 Abs 4
S 1 SGB II in der ursprünglichen Fassung vom 1.1.2005 zum sog
"funktionalen Einrichtungsbegriff" entwickelt hatte. Der funktionale
Einrichtungsbegriff ist vom 4. Senat des BSG in der Entscheidung vom
5.6.2014 aufgegeben worden (BSG, Urteil vom 5.6.2014 - B 4 AS 32/13 R,
zur Veröffentlichung in BSGE und SozR-4 vorgesehen). Dem folgt der
erkennende Senat. Das LSG wird die insoweit erforderlichen
Feststellungen zu treffen haben.
SG Kassel - S 1 AS 200/10 -
Hessisches LSG - L 6 AS 227/11 -
Bundessozialgericht - B 14 AS 35/13 R -
2) Die Revision
der Klägerin hatte keinen Erfolg. Zutreffend hat das LSG entschieden,
dass ihr Ansprüche nach dem SGB II anstelle von Leistungen nach dem
AsylbLG nicht zustehen. Das ergibt sich aus § 7 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB II
iVm § 1 Abs 1 Nr 3 AsylbLG. Entscheidend dafür ist allein, dass die
Klägerin nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und deshalb
bindenden Feststellungen des LSG über eine Aufenthaltserlaubnis nach
§ 25 Abs 5 Aufenthaltsgesetz verfügt und demzufolge gemäß § 1 Abs 1 Nr 3
AsylbLG zum Personenkreis der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG
rechnet, der nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB II vom Leistungsbezug nach dem
SGB II ausgeschlossen ist. Die Aufenthaltserlaubnis entfaltet insoweit
bindende Tatbestandswirkung, ohne dass im Verfahren über die Bewilligung
von Leistungen nach dem SGB II zu prüfen wäre, ob sie zu Recht erteilt
worden ist. Ob die Klägerin aufenthaltsrechtlich einen anderen Status
erlangen könnte, ist dagegen ausschließlich in den dafür vorgegebenen
Verfahren zu entscheiden.
Grundrechte der Klägerin stehen dem nicht entgegen. Von Verfassungs
wegen ist der Gesetzgeber frei, in welchem Leistungssystem er dem Bedarf
an existenzsichernden Leistungen Rechnung trägt. Dass Ausländer danach
auch nach langjährigem Aufenthalt in Deutschland dem Leistungssystem des
AsylbLG zugeordnet und so auf den Bezug abgesenkter Leistungen verwiesen
sein können, ist unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht
mit Urteil vom 18.7.2012 angeordneten Übergangsregelung bis zur
Neuordnung der Leistungen nach dem AsylbLG vorübergehend hinzunehmen.
SG Frankfurt - S 5 AS 663/11 -
Hessisches LSG - L 7 AS 118/12 -
Bundessozialgericht - B 14 AS 8/13 R -
3) Die
Revisionen der Klägerinnen waren zum Teil erfolgreich. Die Klägerinnen
haben nicht nur für die Zeit, die S. im Kurzarrest verbrachte, sondern
auch für den Zeitraum vom 1.9. bis 12.10.2008 und vom 5.11. bis
30.11.2008, in dem Leistungen an den S. wegen einer Sanktion vollständig
abgesenkt worden waren, Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft
und Heizung wegen einer Abweichung vom Kopfteilprinzip aus
bedarfsbezogenen Gründen. Der erkennende Senat schließt sich der
Auffassung des 4. Senats in seinem Urteil vom 23.5.2013 (- B 4 AS
67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68) an, weil nur so ein
menschenwürdiges Existenzminimum gemäß Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG,
zu dem auch die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung
gehören, der nicht sanktionierten Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft
gewährleistet werden kann.
Voraussetzung für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip ist jedoch, dass
der sanktionierte Dritte über kein Einkommen oder Vermögen verfügt, aus
dem er seinen Kopfteil ‑ oder ggf Teile davon ‑ erbringen kann. Der
"Kopfteil" des S. ist im Rahmen einer Abweichung vom Kopfteilprinzip
deshalb nicht vollständig den Klägerinnen zuzuordnen, weil bei S. als
Einkommen das Kindergeld in Höhe von monatlich 154 Euro zu
berücksichtigen ist. Verringert um die Versicherungspauschale von
30 Euro nach § 6 Abs 1 Nr 1 Arbeitslosengeld II-Verordnung, weil S. am
30.9.2008 volljährig geworden ist, bleibt ein zu berücksichtigendes
Einkommen von 124 Euro. Nur die Differenz aus seinem Kopfteil abzüglich
dieses zu berücksichtigenden Einkommens verbleibt als ungedeckter
Bedarf für Unterkunft und Heizung, der mangels entgegenstehender
Regelungen gleichmäßig dem Bedarf der beiden Klägerinnen für Unterkunft
und Heizung zuzuweisen ist.
SG Dessau - S 13 AS 387/09 -
LSG
Sachsen-Anhalt - L 5 AS 373/10 -
Bundessozialgericht - B 14 AS 50/13 R -
4) Die Revision
des Beklagten war nicht erfolgreich. Der Kläger hat einen
Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 309,40 Euro gegen den Beklagten.
Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtswidrig, soweit dort
die zu erstattenden Kosten auf 0,00 Euro festgesetzt wurden. Das
Rechtsschutzbedürfnis für die kombinierte Anfechtungs- und
Leistungsklage ist gegeben, denn der Kläger ist bereits dadurch
beschwert, dass die zu erstattenden Kosten auf 0,00 Euro statt auf
309,40 Euro festgesetzt worden sind, ohne dass es darauf ankommt, ob der
Beklagte bei Vorlage einer an den Kläger gerichteten Gebührenrechnung
die Kosten in der beantragten Höhe erstattet hätte.
Die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 63 Abs 1
SGB X liegen vor. Der Beklagte hatte bereits die Entscheidung getroffen,
dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war und dass die
Kosten dem Grunde nach erstattungsfähig sind. Die Höhe der geltend
gemachten Aufwendungen ist aufgrund der qualifizierten Abrechnung des
Klägerbevollmächtigten in dem an den Beklagten gerichteten Antrag auf
Kostenfestsetzung nicht streitig. Über diese aus § 63 Abs 1 und 2 SGB X
folgenden Voraussetzungen hinaus bestehen keine weiteren formalen
Voraussetzungen für den Kostenerstattungsanspruch nach erfolgreichem
Widerspruch. Insbesondere kann aus der Tatsache, dass keine an den
Kläger gerichtete Berechnung nach § 10 RVG vorliegt, nicht gefolgert
werden, dass Kosten nicht entstanden seien. Der Schutzzweck des § 10 RVG
betrifft nur das Innenverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt,
nicht jedoch das Außenverhältnis gegenüber einem erstattungspflichtigen
Dritten. Dieser kann somit nicht einwenden, wegen eines Verstoßes gegen
§ 10 RVG nicht zur Zahlung verpflichtet zu sein.
SG Köln - S 25 AS 3192/11 -
LSG
Nordrhein-Westfalen - L 7 AS 1139/12 -
Bundessozialgericht - B 14 AS 60/13 R -
5) Die Revision
des Beklagten führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG.
Zu Unrecht hat das LSG entschieden, dass dem Kläger für die Dauer des
Aufenthalts in der Rehabilitationsklinik N. Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II zustehen. Der Kläger war dort in einer
stationären Einrichtung iS von § 7 Abs 4 S 1 SGB II untergebracht und
daher währenddessen von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Dem
steht die Rückausnahme nach § 7 Abs 4 S 3 Nr 1 SGB II nicht entgegen.
Zwar ist auch eine Rehabilitationsklinik für Menschen mit
Abhängigkeitserkrankungen ein Krankenhaus im Sinne der Vorschrift. Dies
gilt auch bei Kostenübernahme durch den Rentenversicherungsträger.
Jedoch war die Unterbringung nicht auf weniger als sechs Monate
angelegt. Maßgeblich für die dafür anzustellende Prognose ist der
Zeitpunkt der Aufnahme in die Klinik und nicht der Zeitpunkt der
Beantragung von Leistungen nach dem SGB II, wie es das LSG angenommen
hat. Ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 S 1 SGB II eingreift oder
ausnahmsweise nicht besteht, lässt sich für die voraussichtliche Dauer
der Unterbringung nur einheitlich und deshalb nur aus der Perspektive
bei Aufnahme in das Krankenhaus beurteilen; ein Wiederaufleben eines
zunächst ausgeschlossenen Anspruchs bei einem Krankenhausaufenthalt
von voraussichtlich nicht unter sechs Monaten durch eine spätere
Antragstellung ist mit Sinn und Zweck der Vorschrift nicht zu
vereinbaren. Ausgehend davon war der Kläger bei der auf 26 Wochen
angelegten Aufnahme in der Klinik während des Aufenthalts dort von
Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
In Betracht für diesen Zeitraum kommen aber Leistungen nach dem SGB XII.
Die dafür erforderliche Kenntnis des beigeladenen Trägers der
Sozialhilfe setzte hier mit der Antragstellung des Klägers beim
Beklagten am 22.10.2010 ein. Eine abschließende Entscheidung über
Leistungsansprüche nach dem SGB XII ist dem Senat aber verwehrt, weil
dazu weitere Feststellungen notwendig sind.
SG Würzburg - S 9 AS 968/10 -
Bayerisches LSG - L 11 AS 661/11 -
Bundessozialgericht - B 14 AS 66/13 R -
6) Die Revision
des Klägers blieb ohne Erfolg. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass
die Erstattungsforderung für November 2008 nicht nach § 40 Abs 2 S 1
SGB II aF gemindert ist. Der Kläger muss die für diesen Zeitraum
bezogenen Leistungen für die Unterkunft in dem Umfang voll erstatten, in
dem sie wegen des im Oktober 2008 ausgezahlten Betriebskostenguthabens
aufgehoben worden sind. Das ergibt sich aus § 40 Abs 2 S 2 SGB II aF. Im
Sinne dieser Vorschrift ist eine Bewilligung dann lediglich teilweise
aufgehoben, wenn auch nach der Aufhebung ein Restanspruch auf Alg II
oder Sozialgeld unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft
zuerkannt geblieben ist. Das folgt aus Sinn und Zweck, Systematik und
Entstehungsgeschichte der Vorschrift. § 40 Abs 2 S 1 SGB II aF soll den
Nachteil ausgleichen, dass bei vollständiger Aufhebung von Alg II oder
Sozialgeld für die Vergangenheit regelmäßig kein Wohngeld mehr bezogen
werden kann, obwohl ein Wohngeldanspruch ursprünglich bestanden haben
könnte. Ein solcher Nachteil besteht wohngeldrechtlich dann nicht, wenn
die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nur
teilweise aufgehoben worden und bei ihrer Berechnung Kosten der
Unterkunft weiter berücksichtigt sind; dann bleibt es im Grundsatz beim
Ausschluss vom Wohngeldbezug.
So liegt es auch bei der Aufhebung von Bewilligungsbescheiden wegen der
Anrechnung von Betriebskostenguthaben. Solche Gutschriften mindern nach
§ 22 Abs 1 S 4 SGB II aF unmittelbar den Bedarf an Leistungen für die
Unterkunft. Entsprechende Kürzungen beruhen also darauf, dass der im
Grundsatz anerkannte Bedarf für entsprechende Leistungen im Monat nach
dem Zufluss geringer oder ganz entfallen ist, dagegen nicht darauf, dass
Kosten der Unterkunft im Sinne der Abgrenzung zwischen SGB II und WoGG
nicht berücksichtigt worden sind. Ungeachtet der Guthabenshöhe kann
deshalb bei Aufhebungen wegen Betriebskostenguthaben ein
wohngeldrechtlicher Nachteil nicht entstehen und besteht kein Anlass für
den Nachteilsausgleich nach § 40 Abs 2 S 1 SGB II aF. Das ist entgegen
der Auffassung des Klägers auch unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht
zu beanstanden.
SG
Berlin - S 18 AS 24014/09 -
LSG
Berlin-Brandenburg - L 18 AS 165/11 -
Bundessozialgericht - B 14 AS 56/13 R -