Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

 

Nr. 29/1999

Mietvertrag über im Volkseigentum stehende Räume

in der Wendezeit

Die Klägerin (bzw. ihr Rechtsvorgänger) hat durch schriftlichen Mietvertrag im September 1990 im Zentrum von Ostberlin gewerbliche Räume zum Betrieb eines Restaurants bis zum Jahre 2000 angemietet. Das Haus war im Liegenschaftsbuch als Eigentum des Volkes eingetragen, Rechtsträger war ein zum Parteivermögen der SED gehörender organisationseigener Betrieb. Berechtigter Nutzer und Vermieter war eine durch Umwandlung aus einem VEB hervorgegangene GmbH im Aufbau, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Das Haus verfügte nicht über eine eigene Heizungsanlage, es wurde vielmehr auf Grund eines kündbaren Nutzungsvertrages vom Nachbarhaus aus (dem Haus des ehemaligen Berliner Verlages) mit Heizwärme, Frischwasser und Klimatisierung versorgt. Im Jahre 1991 haben die Vertragsparteien schriftlich geringfügige Änderungen des Mietvertrages vereinbart.

Ein Unternehmen, das das Nachbargrundstück erworben hatte und daran interessiert war, die an die Klägerin vermieteten Räume hinzuzuerwerben, kündigte den die Versorgung sichernden Nutzungsvertrag zum 31. Dezember 1993 und teilte mit, es werde die Versorgungsleitungen kappen. Die Vermieterin weigerte sich, Abhilfe zu schaffen und stellte sich auf den Standpunkt, der Mietvertrag sei unwirksam, hilfsweise erklärte sie die ordentliche Kündigung zum 31. März 1994. Am 23. Februar 1994 wurden die Versorgungsleitungen unterbrochen. Die Klägerin ließ zunächst eine Notversorgung für Heizung und Trinkwasser installieren, die später zu einer gebrauchsfähigen Anlage ausgebaut wurde, später auch eine eigene Klimaanlage. Die Aufwendungen hierfür macht sie gegen die Vermieterin geltend.

Das Kammergericht in Berlin hat die Klage für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt, soweit mit ihr Aufwendungen geltend gemacht werden, die bis zum 31. März 1994 angefallen sind. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen bzw. das die Klage abweisende Urteil der ersten Instanz (LG Berlin) bestätigt. Es hat die Auffassung vertreten, die Parteien hätten nach dem Beitritt einen Mietvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen, der zum 31. März 1994 kündbar gewesen sei. Der eine feste Bindung bis 2000 enthaltende Vertrag von September 1990 sei nach §§ 19 Abs. 1,68 Abs. 1 Nr. 1 ZGB-DDR nichtig, weil nach DDR-Recht eine Vermietung von Volkseigentum zur gewerblichen Nutzung durch Privatpersonen grundsätzlich unzulässig gewesen sei, wenn nicht eine solche Vermietung in einem staatlichen Plan vorgesehen gewesen sei.

Dem ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt. Er hat die Sache zur weiteren Aufklärung an das Kammergericht zurückverwiesen. Es ist fraglich, ob dem § 19 ZGB-DDR im September 1990 – nach Einführung der Währungs- und Wirtschaftsunion und wenige Wochen vor dem Beitritt – noch die Bedeutung zukam, die das Berufungsgericht ihm beimessen will, oder ob er sich nicht erledigt hatte, auch wenn er nicht förmlich aufgehoben worden war. Die Frage kann aber offen bleiben. Eine Nichtigkeit nach den zitierten Vorschriften kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil das vermietete Haus im September 1990 nicht mehr im Eigentum des Volkes stand. Eigentümerin war vielmehr seit 1. Juli 1990 nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Treuhandgesetz i.V.m. § 2 Abs. 1 der dazu ergangenen 5. Durchführungsverordnung die Rechtsvorgängerin der Beklagten.

Urteil vom 14. April 1999 - XII ZR 60/97

Karlsruhe, den 15. April 1999

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-422

Telefax (0721) 159-831