Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

 

Nr. 80/1998

 

Bundesgerichtshof zur Wirksamkeit eines DDR-Scheidungsurteils, dem ein Feststellungsurteil in der Bundesrepublik entgegenstand

 

Die Parteien haben 1949 in der Bundesrepublik geheiratet und bis 1962 gemeinsam dort gewohnt. Sie haben vier gemeinsame Kinder. Anfang 1962 ging der Ehemann - kurz nach der Trennung in die DDR. Dort betrieb er 1965 ein Ehescheidungsverfahren, an dem die Ehefrau im Wege der Rechtshilfe beteiligt wurde. Sie widersprach der Scheidung. Dennoch wurde die Ehe durch Urteil des DDR-Gerichts, das rechtskräftig ist, geschieden mit der Begründung, sie sei zerrüttet und mit einer Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft sei nicht zu rechnen, weil die Ehefrau es ablehne, in die DDR zu kommen, während der Ehemann in der DDR seit drei Jahren mit einer neuen Partnerin zusammenlebe und dort bleiben wolle.

 

Die Ehefrau erstritt Anfang 1966 in der Bundesrepublik ein Urteil, in dem festgestellt wurde, die Ehe bestehe fort. Das in der DDR ergangene Scheidungsurteil könne nicht anerkannt werden, weil die Ehe nach dem ( damals ) in der Bundesrepublik geltenden, auf dem sogenannten Verschuldensprinzip basierenden Ehescheidungsrecht gegen den Widerspruch der Ehefrau und im wohlverstandenen Interesse der minderjährigen Kinder nicht hätte geschieden werden dürfen. Der Ehemann heiratete in der DDR zweimal und wurde zweimal wieder geschieden, zuletzt 1987.

1994 leitete die Ehefrau ein Ehescheidungsverfahren ein. Das Amtsgericht hat die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich zu Lasten des Ehemannes durchgeführt, den Ausgleich aber aus Gründen der Härteklausel (§ 1587 c Nr. 1 BGB) gekürzt. Die Berufung des Ehemannes hatte hinsichtlich des Scheidungsausspruchs keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision machte der Ehemann geltend, die Ehe sei bereits geschieden und könne nicht erneut geschieden werden. Mit der Abweisung des Scheidungsantrags wäre die Folgesache Versorgungsausgleich gegenstandslos geworden ( § 629 Abs. 3 ZPO).

 

Der Bundesgerichtshof hat den Ausspruch der Scheidung bestätigt. Das in der DDR ergangene Scheidungsurteil steht nicht entgegen. Zwar bestimmt Art.18 Abs. 1 des Einigungsvertrages, daß von DDR-Gerichten erlassene Urteile wirksam bleiben, soweit sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar sind. Voraussetzung für das Wirksambleiben eines DDR-Urteils ist jedoch, daß es im Zeitpunkt des Beitritts noch wirksam war. Davon kann man im vorliegenden Fall wegen des entgegenstehenden Feststellungsurteils, aus dem sich der Fortbestand der Ehe ergibt, nicht ausgehen. Die Rechtskraftwirkungen dieses Urteils erstrecken sich seit dem Beitritt und dem damit verbundenen Inkrafttreten der Zivilprozeßordnung in den neuen Ländern auch

auf dieses Gebiet. Das in der DDR ergangene Scheidungsurteil ist deshalb so anzusehen, als sei es auf ein Rechtsmittel hin aufgehoben worden .Härten, die darauf zurückzuführen sind, daß der Ehemann auf die Wirksamkeit des Scheidungsurteils vertraut hat, kann nur durch die Anwendung der im Gesetz vorgesehenen Härteklauseln begegnet werden, die z.B. -wovon die Vorinstanzen Gebrauch gemacht haben- eine Kürzung des Versorgungsausgleichs zulassen (§ 1587 c BGB).

Urteil vom 11. November 1998 - XII ZR 19/97

Karlsruhe, den 12. November 1998

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