Bundesgerichtshof 76125 Karlsruhe, den 19.11.1998

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Betr.: Strafanzeigen gegen General Augusto Pinochet Ugarte

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Bundesgerichtshof hat auf Strafanzeigen dreier Deutscher gegen den früheren Präsidenten von Chile und ehemaligen Oberbefehlshaber der chilenischen Streitkräfte, General Augusto Pinochet Ugarte, das Landgericht Düsseldorf als das Gericht bestimmt, das für das Verfahren zuständig ist. Mit der Bestimmung des zuständigen Gerichts wird nach dem Gesetz zugleich die für die Verfolgung zuständige Staatsanwaltschaft festgelegt. Die Anzeigeerstatter erheben den Vorwurf, nach der Machtübernahme durch das chilenische Militär im September 1973 von Angehörigen der Streitkräfte in Chile willkürlich verhaftet und schwer mißhandelt worden zu sein. Die Entscheidung des Senats gründet sich auf § 13 a der Strafprozeßordnung, wonach der Bundesgerichtshof das zuständige Gericht zu bestimmen hat, wenn es im Inland an einem solchen fehlt. Das traf hier zu, da die Anzeigen Auslandstaten betreffen und derjenige, dem sie zur Last gelegt werden, in Deutschland keinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort hat. Gleichwohl gilt für die angezeigten Taten nach § 7 Abs. 1 des Strafgesetzbuches das deutsche Strafrecht, weil die Tatopfer Deutsche und die gegen sie verübten Taten auch in Chile mit Strafe bedroht sind. Von der Zuständigkeitsbestimmung wäre nur dann abzusehen gewesen, wenn unbezweifelbar feststünde, daß Pinochet als ehemaliges Staatsoberhaupt Chiles mit Bezug auf eine etwaige Beteiligung an den angezeigten Taten völkerrechtliche Immunität genießt und daher insoweit der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterliegt. So verhält es sich hier aber nicht. Vielmehr ist fraglich, ob sich seine völkerrechtliche Immunität auf die angezeigten Taten erstreckt. Darüber zu entscheiden, ist in diesem Verfahrensstadium nicht Aufgabe des Bundesgerichtshofs, sondern Sache der mit dem Verfahren zu befassenden Organe der deutschen Strafjustiz, was aber gerade voraussetzt, daß zunächst ein zuständiges Gericht bestimmt wird. Der Beschluß des Bundesgerichtshofes enthält aber keine Vorentscheidung über den Fortgang des Verfahrens. Ob die zuständige Staatsanwaltschaft auf die Anzeigen hin ein Ermittlungsverfahren gegen Pinochet einleitet, hat sie selbst, allein und in eigener Verantwortung zu entscheiden. (Az.: 2 ARs 471 und 2 ARs 474/98; Beschluß vom 18. November 1998).

Mit freundlichen Grüßen

 

Prof. Dr. Wolfgang Krüger

Richter am Bundesgerichtshof