Der Bundesgerichtshof

PRESSEMITTEILUNGEN
 
XML RSS

Dokumentsuche

Datum

Nummer

Suchbegriff

[Icon: Dreieck] Hilfe

 

Kalender

Pressemitteilungen » Suchergebnis » Pressemitteilung Nr. 10/99 vom 17.2.1999

 

vorheriges DokumentDokumentlistenächstes Dokument

Druckansicht

Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

 

Nr. 10/1999

 

Freispruch des letzten Innenministers der DDR,

Dr. Diestel, vom Vorwurf der Untreue aufgehoben

 

Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revision der Staatsanwaltschaft den Freispruch des letzten Innenministers und stellvertretenden Ministerpräsidenten der DDR, Dr. Diestel, vom Vorwurf der Untreue aufgehoben.

Im Juli 1990 hatte der Angeklagte veranlaßt, daß ihm und seiner Ehefrau ein Grundstück verkauft wurde, dessen Rechtsträger das dem Angeklagten unterstellte Ministerium des Innern war. Er wollte sich damit das "Modrow-Gesetz" zunutze machen, das DDR-Bürgern erstmals die Möglichkeit einräumte, Eigentum an volkseigenen Grundstücken zu erwerben. Obwohl der wirtschaftliche Wert des ca. 3.500 m² großen, mit einem Einfamilienhaus bebauten Seegrundstücks in der Umgebung von Berlin bereits zur damaligen Zeit mindestens 770.000 DM betrug, wurde ein Kaufpreis von nur 193.000 DM vereinbart. Der Kaufpreis war nämlich auf der Grundlage staatlicher Preisfestsetzungsvorschriften der DDR festgelegt worden. Diese waren jedoch zeitgleich mit dem Vollzug des Staatsvertrages zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland über die Schaffung einer Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion am 1. Juli 1990 aufgehoben worden, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses also nicht mehr gültig.

Während das Landgericht eine objektive Pflichtwidrigkeit des Angeklagten lediglich darin gesehen hat, daß die Kaufpreisfestlegung auf die aufgehobene staatliche Preisregulierung zurückging, hat der Bundesgerichtshof die Auffassung vertreten, daß auch unabhängig von der Fortgeltung der Preisbindung der Verkauf unter den hier gegebenen Umständen nicht hätte erfolgen dürfen. Wie bekannt gewesen sei und durch die Gesetzesmaterialien belegt werde, habe die Volkskammer der DDR mit dem "Modrow-Gesetz" in Verbindung mit den zugehörigen Durchführungsverord-

nungen das Ziel einer sozialen Absicherung breiter Bevölkerungsschichten der DDR durch den Erwerb eines preisgünstigen Eigenheimgrundstücks erreichen wollen. Das hier in Frage stehende Rechtsgeschäft werde von der gesetzgeberischen Intention nicht erfaßt. Diesen Gesichtspunkt hätte das Landgericht bei der Prüfung einer etwaigen Gutgläubigkeit des Angeklagten mitbedenken müssen.

Das Landgericht hat den Angeklagten auch deswegen freigesprochen, weil allenfalls ein - strafloser - Versuch der Untreue vorliege. Der Bundesgerichtshof ist dem entgegengetreten. Zwar seien der Angeklagte und seine Ehefrau nicht im Grundbuch als Eigentümer eingetragen worden und somit nicht Eigentümer des Grundstücks geworden. Doch könne ein Vermögensnachteil, wie ihn der Tatbestand der Untreue auch nach dem zur Tatzeit geltenden Recht der DDR voraussetzte, sich bereits aus dem Abschluß des wirtschaftlich unausgewogenen Kaufvertrages ergeben. Zum einen habe für den Staat das Risiko bestanden, das Grundstück, das Gegenstand eines mehrjährigen Zivilrechtsstreits über drei Instanzen war, endgültig zu verlieren. Zum anderen habe die DDR bzw. die Bundesrepublik als deren Rechtsnachfolgerin den wirtschaftlichen Wert des Grundstücks bis zur endgültigen Klärung der Rechtslage nicht realisieren können.

Nach Aufhebung des Freispruch muß die Sache erneut von einer anderen Strafkammer des Landgerichts Berlin verhandelt werden.

Urteil vom 17. Februar 1999 – 5 StR 494/98

Karlsruhe, den 17. Februar 1999

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-422

Telefax (0721) 159-831

Druckansicht