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Pressemitteilungen » Suchergebnis » Pressemitteilung Nr. 94/24 vom 23.4.2024

 

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Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 94/2024

Verhandlungstermin am 25. Juli 2024 um 11:00 Uhr in Sachen I ZR 135/23 (Zulässigkeit von Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaft Wort an Herausgeber und Förderungsfonds - Herausgeberanteil)

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob die Verwertungsgesellschaft Wort berechtigt ist, Herausgeber und ihren Förderungsfonds Wissenschaft an den Einnahmen aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen der Urheber zu beteiligen.

Sachverhalt:

Die Beklagte ist die im Jahr 1958 gegründete Verwertungsgesellschaft Wort. Sie ist ein rechtsfähiger Verein kraft staatlicher Verleihung, in dem sich Wortautoren und deren Verleger zur gemeinsamen Verwertung von Urheberrechten zusammengeschlossen haben. Sie nimmt als einzige Verwertungsgesellschaft in Deutschland die ihr vertraglich anvertrauten urheberrechtlichen Befugnisse von Wortautoren und deren Verlegern wahr.

Der Kläger ist Autor wissenschaftlicher Werke. Er hat sich zudem die Rechte eines Autors von Sachbüchern (im Folgenden: Zedent) abtreten lassen. Der Kläger hat mit der Beklagten im Jahr 1984 einen Wahrnehmungsvertrag geschlossen, der Zedent im Jahr 1993. Darin haben sie der Beklagten die gesetzlichen Vergütungsansprüche aus der Bibliothekstantieme und der Geräte- und Speichermedienvergütung zur Wahrnehmung übertragen.

Der Kläger wendet sich aus eigenem und abgetretenem Recht dagegen, dass die Beklagte Herausgeber und ihren Förderungsfonds Wissenschaft entsprechend den Bestimmungen ihres Verteilungsplans und ihrer Satzung an den Einnahmen aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen der Urheber beteiligt und dadurch den Anteil des Klägers und des Zedenten an diesen Einnahmen schmälert.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage durch Teilurteil hinsichtlich der Feststellungsanträge in vollem Umfang stattgegeben und die begehrte Auskunft teilweise zugesprochen.

Das Oberlandesgericht hat die Klage nur hinsichtlich der an den Kläger abgetretenen Ansprüche als begründet angesehen und sie im Übrigen abgewiesen. Die im Verteilungsplan und der Satzung der Beklagten vorgesehene Beteiligung von Herausgebern und ihres Förderungsfonds Wissenschaft sei als unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner der Beklagten gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil sie mit dem wesentlichen Grundgedanken des bis zum 31. Mai 2016 geltenden § 7 Satz 1 UrhWahrnG sowie des seither geltenden § 27 Abs. 1 VVG unvereinbar sei. Danach habe die Verwertungsgesellschaft die Einnahmen aus der Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche der Urheber und Inhaber verwandter Schutzrechte ausschließlich an die Inhaber dieser Rechte zu verteilen.

Die Ausschüttungsregelung für Herausgeber sei zu weit gefasst, spiegele die Schutzvoraussetzungen für Sammelwerke gemäß § 4 Abs. 1 UrhG sowie für wissenschaftliche Ausgaben urheberrechtlich nicht geschützter Werke oder Texte im Sinne von § 70 UrhG nicht ausreichend wider und lasse Ausschüttungen auch an Nichtberechtigte zu.

Die Beteiligung des Förderfonds Wissenschaft der Beklagten sei nicht durch die Befugnis des § 32 Abs. 2 VVG gedeckt, wonach die Verwertungsgesellschaft Vorsorge- und Unterstützungseinrichtungen einrichten solle, weil auch diese Vorschrift Zahlungen lediglich an Berechtigte, nicht aber Dritte gestatte, und nicht sichergestellt sei, dass der Förderfonds Wissenschaft lediglich Zahlungen an Berechtigte vornehme.

Die Klage sei allerdings nur hinsichtlich der Ansprüche des Zedenten begründet, weil im von der Klage erfassten Zeitraum lediglich dieser, nicht jedoch der Kläger Ausschüttungen von der Beklagten erhalten habe.

Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen. Die Beklagte möchte mit ihrer Revision die vollständige Abweisung der Klage erreichen. Mit seiner Anschlussrevision verfolgt der Kläger seine Klageansprüche weiter.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 4. Oktober 2021 - 42 O 13841/19

OLG München - Urteil vom 27. Juli 2023 - 29 U 7919/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder […]

§ 7 Satz 1 UrhWahrnG (in Kraft bis zum 31. Mai 2016)

Die Verwertungsgesellschaft hat die Einnahmen aus ihrer Tätigkeit nach festen Regeln (Verteilungsplan) aufzuteilen, die ein willkürliches Vorgehen bei der Verteilung ausschließen. […]

§ 27 Abs. 1 VGG (in Kraft ab dem 1. Juni 2016)

(1) Die Verwertungsgesellschaft stellt feste Regeln auf, die ein willkürliches Vorgehen bei der Verteilung der Einnahmen aus den Rechten ausschließen (Verteilungsplan). […]

§ 32 VGG

[…]

(2) Die Verwertungsgesellschaft soll Vorsorge- und Unterstützungseinrichtungen für ihre Berechtigten einrichten. […]

§ 4 UrhG

(1) Sammlungen von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung sind (Sammelwerke), werden, unbeschadet eines an den einzelnen Elementen gegebenenfalls bestehenden Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts, wie selbständige Werke geschützt. […]

§ 70 UrhG

(1) Ausgaben urheberrechtlich nicht geschützter Werke oder Texte werden in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Teils 1 geschützt, wenn sie das Ergebnis wissenschaftlich sichtender Tätigkeit darstellen und sich wesentlich von den bisher bekannten Ausgaben der Werke oder Texte unterscheiden. […]

Karlsruhe, den 23. April 2024

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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