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Pressemitteilungen » Suchergebnis » Pressemitteilung Nr. 25/99 vom 25.3.1999

 

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Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

 

Nr. 25/1999

Todesschüsse durch Polizisten müssen neu verhandelt werden

 

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat ein Urteil des Landgerichts Stuttgart aufgehoben, durch das ein Polizeibeamter wegen Totschlags verurteilt worden war.

Zugrunde lag der Versuch, eine Person festzunehmen, die der Vergewaltigung dringend verdächtig und mit einem Messer bewaffnet war. Nach wilder Verfolgungsjagd, in deren Verlauf das Polizeifahrzeug bewußt gerammt worden war, versuchte der Flüchtende zu Fuß zu entkommen und konnte auch durch Zurufe und Warnschüsse nicht gestoppt werden. Der Angeklagte gab im Bruchteil einer Sekunde mehrere Schüsse auf den Fliehenden ab, unmittelbar bevor dieser ein dichtes Gebüsch erreichte. Ein Schuß streifte die Hüfte, drei weitere trafen tödlich in Rücken und Kopf.

Der Bundesgerichtshof hat beanstandet, daß das Landgericht hier den Schußwaffengebrauch für nicht zulässig gehalten hat, ohne seine Voraussetzungen ausreichend zu untersuchen, und daß es bedingten Tötungsvorsatz angenommen hat.

Polizeilicher Schußwaffengebrauch ist bei Verdacht eines Verbrechens zum Zwecke der Festnahme grundsätzlich zulässig; allerdings nur in einer Weise, die geeignet ist, fluchtunfähig zu machen. Zur Widerlegung der Einlassung des Angeklagten, er habe (zulässig) auf die Beine gezielt, durfte das Landgericht nicht nur auf die Schüsse abstellen, die Rumpf und Kopf getroffen haben. Vielmehr wäre auch der erste (Streif-)Schuß von Bedeutung gewesen, weil dieser jedenfalls in einem Bereich lag, der durch zulässigen Schußwaffengebrauch gerechtfertigt war und Schlüsse darauf zugelassen hätte, wohin der Angeklagte schießen wollte. Unzulässig war das Verhalten des Angeklagten erst, wenn die weiteren Schüsse vorsätzlich oder vorwerfbar in den Oberkörper/Kopf getroffen hätten. Dazu wäre bedeutsam gewesen, ob diese angesichts kürzester Schußfolge noch gezielt erfolgen konnten, inwieweit sie durch Rückstoß der Waffe (unbeabsichtigt?) höher lagen als der erste Schuß und/oder, ob die höher gelegenen Treffer eventuell dadurch zustande kamen, daß der Flüchtende sich in abfallendem Gelände nach unten bewegte oder nach dem ersten Schuß nicht mehr aufrecht lief.

Auch die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes erfolgte nicht rechtsfehlerfrei: Jeder, auch der nach dem Gesetz zulässige Schußwaffengebrauch durch Polizeibeamte ist mit dem Risiko schwerer oder gar tödlicher Verletzungen verbunden. Das Landgericht hätte daher nicht aus dem Umstand, daß der Beamte überhaupt von der Schußwaffe Gebrauch gemacht hat, um den Verdächtigen festzunehmen, schließen dürfen, er sei auch mit einer eventuell tödlichen Folge einverstanden gewesen.

Urteil vom 25. März 1999 - 1 StR 26/99

Karlsruhe, den 25. März 1999

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-422

Telefax (0721) 159-831

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