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BundesgerichtshofMitteilung der PressestelleNr. 212/2024 Verhandlungstermin in Sachen III ZR 24/23 am 5. Dezember 2024, 11.30 Uhr, Saal N 004 (Amtshaftungsansprüche bei öffentlicher Warnung des Verbraucherschutzministeriums vor dem
Verzehr von Schinken- und Wurstprodukten eines
bestimmten Herstellers)
Der für das Amts- und Staathaftungsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird am 5. Dezember 2024 über Amtshaftungsansprüche verhandeln, die im Zusammenhang mit einer öffentlichen Warnung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vor dem Verzehr von Schinken- und Wurstprodukten eines bestimmten Lebensmittelunternehmens geltend gemacht werden. Sachverhalt: Die S-GmbH stellte Wurst- und Schinkenprodukte sowie vegetarische Produkte her. In einer am 27. Mai 2016 durch das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz veröffentlichten Pressemitteilung wurde von einem Verzehr der Wurst- und Schinkenprodukte dieses Unternehmens abgeraten, da die Waren möglicherweise mit Bakterien (Listerien) belastet und daher gesundheitsgefährdend seien. Es bestünden hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass von den Erzeugnissen eine Gefährdung für die Gesundheit der Verbraucher ausgehen könne, auch wenn ein direkter Nachweis von Listerien nicht für sämtliche Produkte vorliege. In einem nachfolgenden Auflagenbescheid vom 28. Mai 2016 wurde die S-GmbH verpflichtet, alle Erzeugnisse aus einer bestimmten Produktionsanlage, die den Verbraucher oder Verwender bereits erreicht hatten oder erreicht haben könnten und bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum noch nicht abgelaufen war, zurückzurufen. Zugleich wurde der Firma untersagt, Produkte aus dieser Produktionsanlage als Lebensmittel in den Verkehr zu bringen, solange nicht näher bezeichnete Auflagen erfüllt wurden. Am 1. September 2016 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der S- GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger begehrt Schadensersatz in Höhe von 46.591,90 € wegen des Rückrufs von nachpasteurisierten beziehungsweise vor dem Verzehr zwingend zu erhitzenden Produkten, von denen nach seiner Behauptung keine gesundheitlichen Gefahren ausgegangen seien. Außerdem verlangt er Ersatz des durch die Insolvenz der S- GmbH entstandenen Schadens, den er mit 10.709.199,73 € beziffert. Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert. Die Warnung in der Pressemitteilung vom 27. Mai 2016 vor für den Verbraucher gefährlichen Schinken- und Wurstprodukten der S-GmbH habe zwar grundsätzlich ergehen dürfen. Unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von deren Geschäftsführer bestehe jedoch ein Anspruch des Klägers auf Ersatz von zwei Dritteln des Schadens, welcher dadurch entstanden sei, dass in der Pressemitteilung vom 27. Mai 2016 undifferenziert vor dem Konsum sämtlicher Schinken- und Wurstprodukte gewarnt und bestimmte in der Verpackung – werkseitig – nachpasteurisierte Produkte von der Warnung und der Rückruf- und Untersagungsanordnung nicht ausgenommen worden seien. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Freistaats Bayern hat der erkennende Senat die Revision zugelassen, deren Ziel die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils ist. Vorinstanzen: Landgericht München I - Urteil vom 10. Februar 2021 - 15 O 18592/17 Oberlandesgericht München - Urteil vom 31. Januar 2023 - 1 U 1316/21 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 839 BGB - Haftung bei Amtspflichtverletzung (1) 1Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. 2Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. (2) … (3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. § 40 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) - Information der Öffentlichkeit (1) 1Die zuständige Behörde soll die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels und des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt wurde oder in den Verkehr gelangt ist, und, wenn dies zur Gefahrenabwehr geeigneter ist, auch unter Nennung des Inverkehrbringers, nach Maßgabe des Artikels 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 informieren. 2Eine Information der Öffentlichkeit in der in Satz 1 genannten Art und Weise soll vorbehaltlich des Absatzes 1a auch erfolgen, wenn 1.… 2.… 3.im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von einem Erzeugnis eine Gefährdung für die Sicherheit und Gesundheit ausgeht oder ausgegangen ist und aufgrund unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnis oder aus sonstigen Gründen die Unsicherheit nicht innerhalb der gebotenen Zeit behoben werden kann. Karlsruhe, den 8. November 2024
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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