BundesgerichtshofMitteilung der PressestelleNr. 165/2024 Verhandlungstermin am 19. Dezember 2024 um 9.00 Uhr in
Sachen I ZR 186/17 (Befugnis von Verbraucherschutzverbänden
zur Verfolgung von Verstößen gegen das Datenschutzrecht)
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union erneut über die Frage, ob ein Verstoß des Betreibers eines sozialen Netzwerks gegen die datenschutzrechtliche Verpflichtung, die Nutzer dieses Netzwerks über Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung ihrer personenbezogenen Daten zu unterrichten, wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche begründet und von Verbraucherschutzbänden durch eine Klage vor den Zivilgerichten verfolgt werden kann. Sachverhalt: Die in Irland ansässige Beklagte, die Meta Platform Ireland Limited (vormals Facebook Ireland Limited), betreibt das soziale Netzwerk "Facebook". Auf der Internetplattform dieses Netzwerks befindet sich ein "App-Zentrum", in dem die Beklagte den Nutzern ihrer Plattform kostenlos Online-Spiele anderer Anbieter zugänglich macht. Im November 2012 wurden in diesem App-Zentrum mehrere Spiele angeboten, bei denen unter dem Button "Sofort spielen" folgende Hinweise zu lesen waren: "Durch das Anklicken von ‚Spiel spielen" oben erhält diese Anwendung: Deine allgemeinen Informationen, Deine-Mail-Adresse, Über Dich, Deine Statusmeldungen. Diese Anwendung darf in deinem Namen posten, einschließlich dein Punktestand und mehr." Bei einem Spiel endeten die Hinweise mit dem Satz: "Diese Anwendung darf Statusmeldungen, Fotos und mehr in deinem Namen posten." Der Kläger ist der in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer. Er beanstandet die Präsentation der unter dem Button "Sofort spielen" gegebenen Hinweise im App-Zentrum als unlauter unter anderem unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs wegen Verstoßes gegen gesetzliche Anforderungen an die Einholung einer wirksamen datenschutzrechtlichen Einwilligung des Nutzers. Ferner sieht er in dem abschließenden Hinweis bei einem Spiel eine den Nutzer unangemessen benachteiligende Allgemeine Geschäftsbedingung. Er hält sich zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen im Wege der Klage vor den Zivilgerichten gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG für befugt. Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren zunächst mit Beschluss vom 28. Mai 2020 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt (BGH, Beschluss vom 28. Mai 2020 – I ZR 186/17, GRUR 2020, 896 = WRP 2020, 1182 - App-Zentrum I). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 28. April 2020 (C-319/20 - Meta Platforms Ireland) entschieden, Art. 80 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO) sei dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, nach der ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten ohne entsprechenden Auftrag und unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte betroffener Personen Klage mit der Begründung erheben könne, dass gegen das Verbot der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken, ein Verbraucherschutzgesetz oder das Verbot der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen verstoßen worden sei, nicht entgegenstehe, sofern die betreffende Datenverarbeitung die Rechte identifizierter oder identifizierbarer natürlicher Personen aus dieser Verordnung beeinträchtigen könne (EuGH, Urteil vom 28. April 2022, C-319/20, GRUR 2022, 920 = WRP 2022, 684 - Meta Platforms Ireland). Der Bundesgerichtshof hat in der Folge das Verfahren durch Beschluss vom 10. November 2022 erneut ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die infolge der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 28. April 2020 klärungsbedürftig gewordene weitere Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob eine Rechtsverletzung "infolge einer Verarbeitung" im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO geltend gemacht wird, wenn ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen seine Klage darauf stützt, die Rechte einer betroffenen Person seien verletzt, weil die Informationspflichten gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DSGVO in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO über den Zweck der Datenverarbeitung und den Empfänger der personenbezogenen Daten nicht erfüllt worden seien (BGH, Beschluss vom 10. November 2022 - I ZR 186/17, GRUR 2023, 193 = WRP 2023, 189 - App-Zentrum II). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dazu nunmehr mit Urteil vom 11. Juli 2024 (C-757/22 - Meta Platform Ireland, juris) entschieden, Art. 80 Abs. 2 DSGVO sei dahin auszulegen, dass die Voraussetzung, wonach eine befugte Einrichtung, um eine Verbandsklage im Sinne dieser Bestimmung erheben zu können, geltend machen müsse, dass ihres Erachtens die in dieser Verordnung vorgesehenen Rechte einer betroffenen Person "infolge einer Verarbeitung" im Sinne dieser Bestimmung verletzt worden seien, erfüllt sei, wenn sich diese Einrichtung darauf berufe, dass die Verletzung der Rechte dieser Person anlässlich einer Verarbeitung personenbezogener Daten geschehe und auf einer Missachtung der Pflicht beruhe, die dem Verantwortlichen gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO obliege, der betroffenen Person spätestens bei dieser Datenerhebung Informationen über den Zweck der Datenverarbeitung und die Empfänger der Daten in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache zu übermitteln. Der Bundesgerichtshof hat nun Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung auf Donnerstag, 19. Dezember 2024, 9:00 Uhr, anberaumt. Vorinstanzen: LG Berlin - Urteil vom 28. Oktober 2014 - 16 O 60/13 Kammergericht Berlin - Urteil vom 22. September 2017 - 5 U 155/14 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG Beseitigung und Unterlassung (3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu: […] 3. den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, […] § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG Anspruchsberechtige Stellen (1) Die in den §§ 1 bis 2 bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung, auf Widerruf und auf Beseitigung stehen zu: 1. den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste nach § 4 eingetragen sind, […] Artikel 80 Abs. 1 und 2 DSGVO Vertretung von betroffenen Personen (1) Die betroffene Person hat das Recht, eine Einrichtung, Organisationen oder Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht, die ordnungsgemäß nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet ist, deren satzungsmäßige Ziele im öffentlichem Interesse liegen und die im Bereich des Schutzes der Rechte und Freiheiten von betroffenen Personen in Bezug auf den Schutz ihrer personenbezogenen Daten tätig ist, zu beauftragen, in ihrem Namen eine Beschwerde einzureichen, in ihrem Namen die in den Artikeln 77, 78 und 79 genannten Rechte wahrzunehmen und das Recht auf Schadensersatz gemäß Artikel 82 in Anspruch zu nehmen, sofern dieses im Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen ist. (2) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass jede der in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Einrichtungen, Organisationen oder Vereinigungen unabhängig von einem Auftrag der betroffenen Person in diesem Mitgliedstaat das Recht hat, bei der gemäß Artikel 77 zuständigen Aufsichtsbehörde eine Beschwerde einzulegen und die in den Artikeln 78 und 79 aufgeführten Rechte in Anspruch zu nehmen, wenn ihres Erachtens die Rechte einer betroffenen Person gemäß dieser Verordnung infolge einer Verarbeitung verletzt worden sind. Karlsruhe, den 14. August 2024
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