Der Bundesgerichtshof

PRESSEMITTEILUNGEN
 
XML RSS

Dokumentsuche

Datum

Nummer

Suchbegriff

[Icon: Dreieck] Hilfe

 

Kalender

Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Jahr 2021 » Pressemitteilung Nr. 27/21 vom 2.2.2021

Siehe auch:  Urteil des I. Zivilsenats vom 26.10.2023 - I ZR 135/20 -, Beschluss des I. Zivilsenats vom 29.7.2021 - I ZR 135/20 -

vorheriges DokumentDokumentlistenächstes Dokument

Druckansicht

Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 27/2021

Verhandlungstermin am 17. Juni 2021 um 10.30 Uhr in

Sachen I ZR 135/20 (Zulässigkeit der gesonderten

Ausweisung von Flaschenpfand)

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob bei der Werbung für Waren in Pfandbehältern der Pfandbetrag gesondert ausgewiesen werden darf oder ein Gesamtpreis einschließlich des Pfandbetrags angegeben werden muss.

Sachverhalt:

Der Kläger ist ein Verein, der satzungsgemäß das Interesse seiner Mitglieder an der Einhaltung des Wettbewerbsrechts überwacht. Die Beklagte vertreibt Lebensmittel. In einem Faltblatt bewarb sie unter anderem Getränke in Pfandflaschen und Joghurt in Pfandgläsern. Der Pfandbetrag war in die angegebenen Preise nicht einberechnet, sondern mit dem Zusatz "zzgl. … € Pfand" ausgewiesen. Der Kläger sieht darin einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht und nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen.

Dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 der Preisangabenverordnung (PAngV) zu. Es bestünden bereits erhebliche Bedenken, ob § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV weiterhin so auszulegen sei, dass in den danach anzugebenden Gesamtpreis ein Pfandbetrag einzurechnen sei. Dies hänge von der Auslegung von Art. 1, Art. 2 Buchst. a und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 98/6/EG (Preisangabenrichtlinie) und dem Verständnis des europarechtlichen Begriffs des Verkaufspreises ab. Der Klage könne jedenfalls deshalb nicht stattgegeben werden, weil § 1 Abs. 4 PAngV für den Fall, dass außer dem Entgelt für die Ware oder Leistung eine rückerstattbare Sicherheit gefordert werde, eine Ausnahmevorschrift enthalte. Danach sei die Sicherheit neben dem Preis für die Ware oder Leistung anzugeben und kein Gesamtbetrag zu bilden. Diese Vorschrift sei zwar europarechtswidrig und deshalb nicht mehr anwendbar. Gleichwohl sei sie geltendes Recht. Es sei mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren, die Beklagte zu verurteilen, obwohl sie sich an diese Vorschrift gehalten habe.

Der Unterlassungsanspruch bestehe auch nicht wegen eines irreführenden Unterlassens der Angabe des Gesamtpreises nach § 5a Abs. 2 und 3 Nr. 3 UWG. § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG greife wegen der vorrangigen Regelungen der Preisauszeichnung auf Grundlage der Richtlinie 98/6/EG nicht ein. Selbst wenn die Vorschrift anwendbar wäre, könnte das Ergebnis nicht anders sein als bei einer Anwendung von § 3a UWG, da die Beklagte sich mit § 1 Abs. 4 PAngV an zwar richtlinienwidriges, für sie aber bindendes nationales Recht gehalten habe.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Vorinstanzen:

LG Kiel - Urteil vom 26. Juni 2019 - 15 HKO 38/18

OLG Schleswig - Urteil vom 30. Juli 2020 - 6 U 49/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3 Abs. 1 UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 5a Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG

(2) Unlauter handelt, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält,

1. die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und

2. deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

(3) Werden Waren oder Dienstleistungen unter Hinweis auf deren Merkmale und Preis in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise so angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann, gelten folgende Informationen als wesentlich im Sinne des Absatzes 2, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben: […]

3. der Gesamtpreis oder in Fällen, in denen ein solcher Preis auf Grund der Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- und Zustellkosten oder in Fällen, in denen diese Kosten nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzlichen Kosten anfallen können; […]

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 PAngV

(1) Wer Verbrauchern gemäß § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gewerbs- oder geschäftsmäßig oder wer ihnen regelmäßig in sonstiger Weise Waren oder Leistungen anbietet oder als Anbieter von Waren oder Leistungen gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, hat die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Gesamtpreise).

(4) Wird außer dem Entgelt für eine Ware oder Leistung eine rückerstattbare Sicherheit gefordert, so ist deren Höhe neben dem Preis für die Ware oder Leistung anzugeben und kein Gesamtbetrag zu bilden.

Art. 1 der Richtlinie 98/6/EG

Diese Richtlinie regelt die Angabe des Verkaufspreises und des Preises je Maßeinheit bei Erzeugnissen, die Verbrauchern von Händlern angeboten werden; dadurch soll für eine bessere Unterrichtung der Verbraucher gesorgt und ein Preisvergleich erleichtert werden.

Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a) "Verkaufspreis" den Endpreis für eine Produkteinheit oder eine bestimmte Erzeugnismenge, der die Mehrwertsteuer und alle sonstigen Steuern einschließt; […]

Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/6/EG

Bei den in Artikel 1 bezeichneten Erzeugnissen sind der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit anzugeben, wobei für die Angabe des Preises je Maßeinheit die Bestimmungen von Artikel 5 gelten.

Karlsruhe, den 2. Februar 2021

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

Druckansicht