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Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Monat März 2016 » Pressemitteilung Nr. 61/16 vom 23.3.2016

Siehe auch:  Urteil des I. Zivilsenats vom 24.3.2016 - I ZR 263/14 -

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Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 61/2016

Verhandlungstermin am 24. März 2016, 9.00 Uhr,

in Sachen I ZR 263/14 (Anmeldeplicht für Zuwendungen eines Landkreises an eine als gGmbH betriebene Kreisklinik

bei der Europäischen Kommission?)

Der Kläger ist der Bundesverband Deutscher Privatkliniken. Zu seinen Mitgliedern gehören die privaten Träger von mehr als 1.000 Krankenhäusern. Der Beklagte, der Landkreis Calw, ist Gesellschafter der Kreiskliniken Calw gGmbH, die Krankenhäuser in Calw und Nagold betreibt. Die Kreiskrankenhäuser Calw und Nagold sind in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen. Sie sind vom Beklagten mit der Erbringung von medizinischen Versorgungsleistungen als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut worden.

Der Kreistag des Beklagten fasste im Jahr 2012 den Beschluss, die handelsrechtlichen Verluste der Kreisklinken Calw gGmbH für die Jahre 2012 bis 2016 auszugleichen. Außerdem beschloss er in den Jahren 2010 bis 2012 die Übernahme von Ausfallbürgschaften zur Absicherung von Investitionsdarlehen der Kreiskliniken Calw gGmbH, ohne hierfür Avalzinsen zu verlangen. Ferner gewährte der Beklagte der Kreiskliniken Calw gGmbH in den Jahren 2011 und 2012 Investitionszuschüsse zu Zinszahlungen aus Investitionskrediten.

Der Kläger sieht in den Zuwendungen des Beklagten an die Kreiskliniken Calw gGmbH staatliche Beihilfen, die mangels Anmeldung (Notifizierung) bei der Europäischen Kommission rechtswidrig seien. Er hat den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen. Der Beklagte hat eingewandt, die Zuwendungen seien nicht notifizierungspflichtig, weil sie dem Ausgleich von Kosten für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse dienten, mit denen er die Kreiskliniken Calw gGmbH betraut habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat angenommen, selbst wenn die Zuwendungen des Beklagten an die Kreiskliniken Calw gGmbH staatliche Beihilfen darstellen sollten, verstießen sie nicht gegen das Verbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV**, staatliche Beihilfen ohne vorherige Anmeldung bei der Europäischen Kommission zu gewähren. Die Zuwendungen seien gemäß Art. 106 Abs. 2 AEUV* in Verbindung mit der Entscheidung 2005/842/EG der Kommission*** von der Notifizierungspflicht freigestellt. Die medizinischen Versorgungsleistungen der Kreiskrankenhäuser Calw und Nagold seien Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die nach dem Krankenhausplan zur bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhausleistungen notwendig seien und nicht von einem anderen Krankenhausträger erbracht werden könnten. Der Beklagte habe die ihm als Landkreis obliegende Aufgabe, die Krankenhäuser Calw und Nagold zur Sicherstellung der Krankenhausversorgung zu betreiben, auf die Kreisklinken Calw gGmbH übertragen.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Unterlassungsantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Tübingen - Urteil vom 23. Dezember 2013 - 5 O 72/13, MedR 2014, 401

OLG Stuttgart - Urteil vom 20. November 2014 - 2 U 11/14, WuW/E DE-R 4817

Karlsruhe, den 23. März 2016

*Artikel 106 AEUV lautet:

(2) Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, gelten die Vorschriften der Verträge, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. (…)

*Artikel 108 AEUV lautet:

(3) 1Die Kommission wird von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig unterrichtet, dass sie sich dazu äußern kann. … 3Der betreffende Mitgliedstaat darf die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat.

***Artikel 2 der Entscheidung 2005/842/ EG der Kommission lautet:

(1) Die vorliegende Entscheidung gilt für staatliche Beihilfen, die Unternehmen in Form von Ausgleichszahlungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne von Artikel 86 Absatz 2 EG-Vertrag [jetzt Artikel 106 Absatz 2 AEUV] gewährt werden, die in eine der folgenden Kategorien fallen:

b) Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser und im sozialen Wohnungsbau tätige Unternehmen, die Tätigkeiten ausführen, die von dem jeweiligen Mitgliedstaat als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse eingestuft wurden;

***Artikel 3 der Entscheidung 2005/842/ EG der Kommission lautet:

Staatliche Beihilfen, die in Form von Ausgleichszahlungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse gewährt werden und gleichzeitig die in dieser Entscheidung genannten Voraussetzungen erfüllen, sind mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und von der Notifizierungspflicht gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag [jetzt Artikel 108 Absatz 3 AEUV] freigestellt, sofern in den sektorspezifischen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften in Bezug auf die Gemeinwohlverpflichtungen nichts anderes bestimmt ist.

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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