Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 222/2016

Bundespräsident Joachim Gauck zu Besuch

beim Bundesgerichtshof

- Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind ohne

unabhängige Justiz nicht vorstellbar -

Bundespräsident Joachim Gauck hat heute den Bundesgerichtshof in Karlsruhe besucht. Er wurde von der Präsidentin des Bundesgerichtshofs Bettina Limperg begrüßt. Nach einem Empfang, zu dem alle Angehörigen des Bundesgerichtshofs und die Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof eingeladen waren, schlossen sich ein Rundgang auf dem Gelände des Bundesgerichtshofs sowie Fachgespräche an.

Gegenstand der Fachgespräche war insbesondere die aktuelle Situation der Zivil- und Strafsenate beim Bundesgerichtshof. Dabei wurden unter anderem die seit 2012 eklatant gestiegene Zahl der Nichtzulassungsbeschwerden in Zivilverfahren und die erhebliche Zunahme der Belastung der Ermittlungsrichterinnen und Ermittlungsrichter sowie der Strafsenate des Bundesgerichtshofs durch Ermittlungs- und Strafverfahren im Zusammenhang mit dem islamistischen Terrorismus erörtert. Die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Bettina Limperg betonte die Notwendigkeit, durch eine verstärkte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit die Arbeit des Bundesgerichtshofs und die Bedeutung der Rechtsprechung den Menschen näher zu bringen.

Bundespräsident Joachim Gauck unterstrich die Bedeutung, die rechtsstaatlichen Strukturen und unabhängigen Gerichten zukomme, und erinnerte in diesem Zusammenhang an seine persönlichen Erfahrungen in der DDR: "Ich habe im Alltag, wie die überwiegende Zahl der Bewohner der DDR, selbst erfahren, was es heißt, wenn der Staat mit unterschiedlicher Elle misst und für die Bürger nicht die gleichen Regeln und Normen gelten wie für die Herrschenden." Rechtliches Gehör sei ein hohes Gut. "Die Menschen der ehemaligen DDR haben es sich in der Friedlichen Revolution hart erkämpft. Auch deswegen sind mir die unabhängigen Gerichte und die Menschen, die hier arbeiten, besonders wichtig. Ich bin dankbar für Ihre Leidenschaft, Ihr Engagement und Einfühlungsvermögen - Sie erfüllen diese Aufgaben für die Bürgerinnen und Bürger", sagte Bundespräsident Joachim Gauck. Allerdings würden die jüngsten Geschehnisse in manchen Ländern Europas und in der Türkei die Frage nahelegen, ob schon vergessen worden sei, wie es etwa in Mittelosteuropa bis 1989 um die Kontrolle der Macht durch das Recht und Gerichte bestellt war. "Die Errungenschaften einer unabhängigen Justiz, die allein dem Recht verpflichtet ist und keiner Staatsführung, auch keiner Ideologie oder Idee, werden heute nicht überall als unverzichtbar angesehen. Damit wird der Rechtsstaat in Frage gestellt, ein Grundwert unserer westlichen Zivilisation, eine unverzichtbare kulturelle Errungenschaft. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind ohne unabhängige Justiz nicht vorstellbar", betonte das Staatsoberhaupt.

Die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Bettina Limperg zeigte sich über den Besuch des Bundespräsidenten sehr erfreut: "Ich empfinde den heutigen Besuch des Bundespräsidenten als Zeichen seiner Wertschätzung gegenüber den Menschen, die hier ihren Dienst in der Rechtspflege leisten. Besonders gefreut hat mich, dass der Bundespräsident großen Wert darauf gelegt hat, mit möglichst vielen Gerichtsangehörigen und dabei mit Vertretern aller Berufsgruppen ins Gespräch zu kommen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dankbar dafür, dass sich das Staatsoberhaupt ein Bild der von der Arbeitssituation vor Ort gemacht hat und ein offenes Ohr für die Schilderung der zunehmenden Arbeitsbelastung des Bundesgerichtshofs hatte."

Hintergrund

Der Bundesgerichtshof ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Zivil- und Strafrechtspflege, der sogenannten ordentlichen Gerichtsbarkeit. Er wurde am 1. Oktober 1950 errichtet und hat seinen Sitz in Karlsruhe. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat seinen Sitz seit Juli 1997 in Leipzig; zuvor war er in Berlin ansässig. Neben der Präsidentin sind am Bundesgerichtshof 134 Richterinnen und Richter tätig, darunter 17 Vorsitzende Richterinnen und Richter. Sie üben ihre Rechtsprechungstätigkeit in den zwölf Zivilsenaten, den fünf Strafsenaten, den acht Spezialsenaten und als Ermittlungsrichter aus. Insgesamt arbeiten beim Bundesgerichtshof 428 Menschen.

Karlsruhe, den 6. Dezember 2016

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