Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 17/2016

Verhandlungstermin am 7. Juli 2016, 9.00 Uhr, in Sachen I ZR 30/15 und I ZR 68/15 (Zur Frage der Qualifizierung eines per E-Mail oder telefonisch geschlossenen Grundstücksmaklervertrages als Fernabsatzgeschäft)

In den zur Verhandlung anstehenden Verfahren hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshof darüber zu entscheiden, ob ein per E-Mail oder telefonisch geschlossener Grundstücksmaklervertrag ein Fernabsatzgeschäft im Sinne von § 312b BGB aF* darstellt und vom Maklerkunden widerrufen werden kann.

Im Verfahren I ZR 30/15 nimmt die Klägerin den Beklagten aus abgetretenem Recht einer Immobilienmaklerin auf Zahlung einer Maklerprovision in Anspruch. Die Immobilienmaklerin bewarb im April 2013 in einem Internetportal ein Hausgrundstück in Rellingen. Auf der Internetseite war eine vom Käufer zu zahlende Maklercourtage von 6,25% des Kaufpreises angegeben. Der Beklagte bekundete per E-Mail sein Interesse an dem Objekt. Die Immobilienmaklerin übersandte ihm darauf als pdf-Datei ein Exposé, in dem ebenfalls eine vom Käufer zu zahlende Maklerprovision von 6,25% des Kaufpreises ausgewiesen war. Eine Widerrufsbelehrung enthielt das Exposé nicht. Der Beklagte bestätigte telefonisch den Eingang des Exposés und bat um einen Besichtigungstermin. Einige Wochen nach der Besichtigung erwarb er das Grundstück zu einem Kaufpreis von 240.000 €. Die Klägerin verlangt vom Beklagten nunmehr die Zahlung einer Maklerprovision in Höhe von 15.000 € sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Der Beklagte hat den Maklervertrag im Laufe des Rechtsstreits widerrufen. Hilfswiderklagend hat er die Herabsetzung der Maklerprovision auf einen von ihm als angemessen erachteten Betrag zwischen 1.000 € und 2.000 € begehrt.

Das Landgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben und die Hilfswiderklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es hat angenommen, der Maklervertrag sei nicht als Fernabsatzvertrag zustande gekommen, weil er erst während des Besichtigungstermins geschlossen worden sei. Im Übrigen seien die Regelungen zu Fernabsatzverträgen auf Immobilienmaklerverträge nicht anwendbar, weil sich der Maklerkunde zum Erwerb des Grundstücks in Kenntnis des dadurch ausgelösten Provisionsanspruchs entscheide und nicht vor einer übereilten Entscheidung geschützt werden müsse. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Im Verfahren I ZR 68/15 bewarb die Klägerin, eine Immobilienmaklerin, im Jahr 2013 im Internet ein Grundstück in Troisdorf. Auf die Anfrage des Beklagten übersandte sie ihm per E-Mail ein Exposé, in dem eine vom Käufer zu zahlende Maklerprovision von 3,57% des Kaufpreises ausgewiesen war. Eine Widerrufsbelehrung fand sich in dem Exposé nicht. Der Beklagte bestätigte per E-Mail den Eingang des Exposés und vereinbarte mit der Klägerin einen Besichtigungstermin. In der Folgezeit erwarb er das Grundstück zu einem Kaufpreis von 650.000 €. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten nunmehr die Zahlung einer Maklerprovision in Höhe von 23.205 € und den Ersatz vorgerichtlicher Portokosten. Im Laufe des Rechtsstreits hat der Beklagte den Maklervertrag widerrufen.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, der Beklagte habe den Maklervertrag nach den Regeln des Fernabsatzgeschäfts wirksam widerrufen, weil es sich um einen per E-Mail zustande gekommenen Vertrag über Dienstleistungen im Sinne von § 312b BGB aF gehandelt habe. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Vorinstanzen:

I ZR 30/15

LG Itzehoe - Urteil vom 30. Mai 2014 - 6 O 379/13

Schleswig-Holsteinisches OLG - Urteil vom 22. Januar 2015 - 16 U 89/14

I ZR 68/15

LG Erfurt - Urteil vom 25. Februar 2014 - 8 O 804/13

Thüringer OLG - Urteil vom 4. März 2015 - 2 U 205/14

*§ 312b BGB aF lautet:

(1) Fernabsatzverträge sind Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. (…)

(2) Fernkommunikationsmittel sind Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können, insbesondere Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails sowie Rundfunk, Tele- und Mediendienste.

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