Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 11/2015

Hooligans als kriminelle Vereinigung

Der für Staatsschutzstrafsachen zuständige 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat heute die Verurteilung von fünf Angeklagten weitgehend bestätigt, gegen die das Landgericht Dresden wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, teilweise in Tateinheit mit schwerem Landfriedensbruch und mit gefährlicher Körperverletzung auf Freiheits- bzw. Geldstrafen erkannt hatte.

Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Angeklagten Rädelsführer bzw. Mitglieder einer in Dresden ansässigen Gruppierung von Hooligans, die im zeitlichen und räumlichen Umfeld von Fußballspielen des Vereins Dynamo Dresden, aber auch unabhängig davon an anderen Orten, Kämpfe gegen andere Hooligans ausfocht, zu denen sich die Gruppierungen zumeist vorher verabredet hatten. Für die Kämpfe existierten ungeschriebene, aber in den einschlägigen Kreisen allgemein anerkannte Regeln. Die Auseinandersetzungen dauerten oft nur einige Sekunden, höchstens Minuten und waren beendet, wenn alle Kämpfer einer Seite am Boden lagen, flohen oder wenn sonst die Niederlage anerkannt wurde. "Kampfrichter", die bei Regelverstößen oder Verletzungen der Beteiligten unmittelbar eingriffen, gab es nicht. Allenfalls wurden Regelverstöße anschließend diskutiert und konnten dazu führen, dass der Verursacher nicht mehr zu Kämpfen mitgenommen wurde.

In dem über zwei Jahre andauernden Tatzeitraum kam es zu mehreren solcher Auseinandersetzungen, teilweise konnten verabredete Kämpfe wegen der hohen Polizeipräsenz nicht ausgefochten werden. Das Landgericht hat nur in einem dieser Fälle angenommen, dass sich die Beteiligten wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht hätten; denn nur in diesem Fall sei wegen der Anzahl der Kämpfer auf beiden Seiten die Gefährlichkeit der gegenseitigen Angriffe so groß gewesen, dass die jeweiligen Körperverletzungshandlungen trotz der von den Beteiligten stillschweigend erklärten Einwilligung in ihre Verletzungen sittenwidrig gewesen seien. Die Einwilligungen hätten daher gemäß § 228 StGB keine rechtfertigende Wirkung entfalten können. In den anderen Auseinandersetzungen habe eine derart hohe Gefährlichkeit der gegenseitigen Tätlichkeiten nicht vorgelegen, sodass die erteilten Einwilligungen wirksam und die Körperverletzungen daher gerechtfertigt gewesen seien.

In einem weiteren Fall hat die Strafkammer in einem Angriff auf mehrere türkische Gastronomiebetriebe in der Dresdener Neustadt im Sommer 2008 ebenfalls eine Tat der Vereinigung erblickt und die daran beteiligten Angeklagten insoweit auch wegen schweren Landfriedensbruchs verurteilt.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat die Auffassung des Landgerichts, bei der Gruppierung der Angeklagten habe es sich um eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 1 StGB gehandelt, im Ergebnis bestätigt. Anders als das angefochtene Urteil sieht er die Tätlichkeiten im Rahmen der verabredeten Prügeleien unabhängig von einer größeren Anzahl von Kämpfern auf beiden Seiten (und der Härte des Untergrunds am "Kampfort") als strafbare (gefährliche) Körperverletzungen an. Diese Bewertung leitet der Senat daraus ab, dass die Beteiligten rechtswidrig und schuldhaft den Straftatbestand der Teilnahme an einer Schlägerei (§ 231 StGB) verwirklichten, wofür die Einwilligung der Kämpfer in die Körperverletzungshandlungen nach der Gesetzesstruktur von vornherein keine rechtfertigende Wirkung entfalten kann. An dieser Beurteilung der Körperverletzungshandlungen ändert sich auch nichts deswegen, weil bei keiner der Prügeleien eine der in § 231 StGB als Bedingung der Strafbarkeit vorausgesetzten schweren Folgen (Tod eines Menschen oder schwere Körperverletzung im Sinne des § 226 StGB) eingetreten ist und daher eine Bestrafung nach dieser Vorschrift nicht in Betracht kam. Weil die Gruppierung der Angeklagten gerade auch auf die Ausübung von Tätlichkeiten im Rahmen von Schlägereien ausgerichtet war, bestand ihr Zweck und ihre Tätigkeit daher in der Begehung strafbarer (gefährlicher) Körperverletzungen. Da sie auch die übrigen von § 129 Abs. 1 StGB vorausgesetzten Merkmale erfüllte, hat sie das Landgericht im Ergebnis somit rechtsfehlerfrei als kriminelle Vereinigung erachtet.

Der Überfall auf die türkischen Gastronomiebetriebe kann nach Ansicht des Senats der Vereinigung hingegen nicht zugerechnet werden. Das Verfahren war deshalb hinsichtlich zweier Angeklagter mangels wirksamer Anklageerhebung einzustellen; hinsichtlich eines weiteren Angeklagten war der Schuldspruch auf Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu ändern. Für diese drei Angeklagten muss wegen des verbleibenden geringeren Schuldumfangs die Strafe neu zugemessen werden; im Übrigen ist das Urteil des Landgerichts Dresden rechtskräftig.

Urteil vom 22. Januar 2015 - 3 StR 233/14

Landgericht Dresden - 14 KLs 204 Js 41068/08 (2) - Urteil vom 29. April 2013

Karlsruhe, den 21. Januar 2015

§ 129 StGB lautet auszugsweise:

(1) Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt oder sie unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(…)

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern oder liegt sonst ein besonders schwerer Fall vor, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen; (…)

§ 228 StGB lautet:

Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt.

§ 231 StGB lautet:

(1) Wer sich an einer Schlägerei oder an einem von mehreren verübten Angriff beteiligt, wird schon wegen dieser Beteiligung mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn durch die Schlägerei oder den Angriff der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (§ 226) verursacht worden ist.

(2) Nach Absatz 1 ist nicht strafbar, wer an der Schlägerei oder dem Angriff beteiligt war, ohne dass ihm dies vorzuwerfen ist.

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