Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 155/2014

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir möchten folgende Terminhinweise geben:

Verhandlungstermin: 9. Dezember 2014

X ZR 85/12

LG Leipzig – Urteil vom 11. November 2011 – 08 O 3545/10

OLG Dresden – Urteil vom 21. Juni 2012 – 8 U 1900/11

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. verlangt von der beklagten Reiseveranstalterin, die u.a. im Rahmen eines "Dynamic Packaging" die Bündelung von Reiseteil- und Einzelleistungen zu einem Leistungspaket anbietet, es zu unterlassen, beim Abschluss von Pauschalreisen folgende Reisebedingungen zu verwenden:

"2.1. Nach Erhalt Ihrer Reisebestätigung/Rechnung ist innerhalb einer Woche die auf unserer Reisebestätigung/Rechnung ausgewiesene Anzahlung zu leisten. Diese beträgt 40 % (auf volle Euro aufgerundet) von dem Gesamtpreis der Rechnung.

Die Restzahlung des Reisepreises ist bis spätestens 45 Tage vor Reiseantritt ohne nochmalige Aufforderung fällig.

6.2. Die Rücktrittspauschalen, die wir im Falle Ihres Rücktritts von der Reise je angemeldeten Teilnehmer fordern müssen, betragen jeweils pro Person bzw. Wohneinheit in Prozent vom Reisepreis:

6.2.1.• bei Flugreisen bis 30 Tage vor Reisebeginn 40 %

• ab 29. Tag bis 22. Tag vor Reisebeginn 45 %

• ab 21. Tag bis 15. Tag vor Reisebeginn 50 %

• ab 14. Tag bis 7. Tag vor Reisebeginn 60 %

• ab 6. Tag vor Reisebeginn 70 %

• am Tag des Reiseantritts oder bei Nichterscheinen 90 %."

Das Landgericht hat der Beklagten die Verwendung der Klauseln untersagt, das Oberlandesgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die von der Beklagten bei Vertragsabschluss geforderte Anzahlung von 40 % des Reisepreises benachteilige den Vertragspartner unangemessen im Sinn von § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB*. Die Regelung weiche vom Grundgedanken des § 320 BGB** ab, wonach Leistungen Zug um Zug zu gewähren seien. Die in der Rechtsprechung als zulässig angesehene "geringfügige" Anzahlung in Höhe von bis zu 20% des Reisepreises stelle zwar nicht zwingend eine Obergrenze dar; bei entsprechendem Kostenanfall bei dem Reiseveranstalter könne auch ein höherer Prozentsatz als Anzahlung gerechtfertigt sein. Der von der Beklagten verlangte Anteil von 40% könne aber nicht mehr als verhältnismäßig geringfügig angesehen werden. Auch die Regelung in den AGB der Beklagten, nach der der Restbetrag bereits 45 Tage vor Reiseantritt fällig werde, verstoße gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 und § 320 BGB. Um im Falle der Nichtleistung des Reisebetrages die Reise noch anderweitig verwenden zu können, genüge für den Reiseveranstalter ein Abstand zwischen Fälligkeit der Restzahlung und dem Reisebeginn von etwa einem Monat. Die Klauseln zu den Stornierungsgebühren bei Flugreisen seien wegen Verstoßes gegen § 651i BGB*** ebenfalls unwirksam. Bei der Bemessung einer Schadensersatzpauschale nach § 651i Abs. 3 BGB sei auch die Verpflichtung des Reiseveranstalters zur Schadensminderung, etwa durch den Weiterverkauf der Reise an einen Dritten, zu berücksichtigen.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Verhandlungstermin: 9. Dezember 2014

X ZR 13/14

LG Frankfurt am Main - Urteil vom 28. März 2013  224 O 196/12

OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 16. Januar 2014  16 U 78/13

In einem ähnlich gelagerten Fall verlangt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. von der beklagten Reiseveranstalterin, die Verwendung folgender Reisebedingungen zu unterlassen:

2.1[Innerhalb einer Woche nach Erhalt der Reisebestätigung/Rechnung wird die vereinbarte und auf der Reisebestätigung/Rechnung (bzw. dem gegebenenfalls beigefügten Überweisungsträger) ausgewiesene Anzahlung fällig.] Diese beträgt 25%,… bei Reisen aus den Programmen Thomas Cook Last Minute und Neckermann Reisen Last Minute 30% (auf volle Euro aufgerundet) von dem Gesamtpreis der Rechnung, sofern nichts anderes vor Vertragsschluss vereinbart wurde. … Die Restzahlung wird 40 Tage vor Reiseantritt ohne nochmalige Aufforderung fällig.

5.3In der Regel betragen die Rücktrittspauschalen, die wir im Falle Ihres Rücktritts von der Reise je angemeldetem Teilnehmer fordern müssen, jeweils pro Person bzw. Wohneinheit in Prozent vom Reise- oder Mietpreis:

5.3.1.a bei Flugreisen

bis 42 Tage vor Reisebeginn 25%

ab 41. bis 30. Tag vor Reisebeginn 30%

ab 29. bis 22. Tag vor Reisebeginn 35%

ab 21. bis 15. Tag vor Reisebeginn 45%

ab 14. bis 7. Tag vor Reisebeginn 65%

ab 6. bis 3. Tag vor Reisebeginn 70%

ab 2. bis 1. Tag vor Reisebeginn 80%

am Tag des Reiseantritts oder bei Nichterscheinen 90%.

5.3.1b bei Neckermann Reisen "last minute", "Fortuna" sowie bei Flugreisen bei Buchung der Zimmerkategorien "R", "T" oder "Y"

bis 30. Tag vor Reisebeginn 40%

ab 29. bis 22. Tag vor Reisebeginn 55%

ab 21. bis 15. Tag vor Reisebeginn 65%

ab 14. bis 7. Tag vor Reisebeginn 75%

ab 6. bis 3 Tag vor Reisebeginn 85%

ab 2. Tag vor Reisebeginn bis einschließlich Tag des Reiseantritts 95%.

5.3.7dbei allen Angeboten zu den Galapagosinseln

ab 60. bis 31. Tag vor Reisebeginn 5%

ab 30. Tag oder bei Nichterscheinen 90% des Reisepreises.

5.3.16Bei Buchungen aus den Programmen Neckermann Reisen XNEC und YNEC oder Thomas Cook Reisen XTOC und YTOC wird die Reise auf Ihren Wunsch nach dem Prinzip des "packaging" zusammengestellt. Dazu werden Sondertarife der Leistungsträger (zum Beispiel Fluggesellschaften, Hotels) verwendet, die nicht erstattet werden können, so dass besondere Rücktrittspauschalen vereinbart werden:

bis 42 Tage 55%

bis 30 Tage 60%

bis 22 Tage 65%

bis 15 Tage 70%

bis 7 Tage 80%

bis 3 Tage 85%

bis oder am Abreisetag 90%.

Das Landgericht hat der Beklagten die Verwendung der Klausel untersagt. Die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Die von der Beklagten geforderte Anzahlung von 25% oder 30% des Reisepreises benachteilige den Verbraucher unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB*. Eine höhere als die bisher übliche Anzahlung von 20% des Reisepreises höhle das in § 320 BGB** verankerte Zug-um-Zug-Prinzip unangemessen aus. Die Annahme des Zeitpunkts der Restfälligkeit des Reisepreises verstoße ebenfalls gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Für den Reiseveranstalter genüge ein Zeitpunkt von etwa einem Monat vor Beginn der Reise. Auch die beanstandeten Stornierungsklauseln wichen von der gesetzlichen Regelung in § 651i Abs. 3 BGB*** nicht hinnehmbarer Weise ab.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

* § 307 BGB Inhaltskontrolle

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

** § 320 BGB Einrede des nicht erfüllten Vertrages

Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist. Hat die Leistung an mehrere zu erfolgen, so kann dem einzelnen der ihm gebührende Teil bis zur Bewirkung der ganzen Gegenleistung verweigert werden. Die Vorschrift des § 273 Abs. 3 findet keine Anwendung.

Ist von der einen Seite teilweise geleistet worden, so kann die Gegenleistung insoweit nicht verweigert werden, als die Verweigerung nach den Umständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teils, gegen Treu und Glauben verstoßen würde.

*** § 651i Rücktritt vor Reisebeginn

Vor Reisebeginn kann der Reisende jederzeit vom Vertrag zurücktreten.

Im Vertrag kann für jede Reiseart unter Berücksichtigung der gewöhnlich ersparten Aufwendungen und des durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen gewöhnlich möglichen Erwerbs ein Vomhundertsatz des Reisepreises als Entschädigung festgesetzt werden.

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