Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 54/2013

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir möchten auf folgenden Termin hinweisen:

Verhandlungstermin: 25. April 2013

4 StR 551/12

LG Freiburg – Urteil vom 12. Juli 2012 – 1 Ks – 450 Js 27109/11 AK 3/12

Das Landgericht Freiburg hat einen 30 Jahre alten Kaufmann aus Schwanau freigesprochen, dem zur Last lag, im Vorfeld einer Veranstaltung rechtsradikaler Gruppen in Bahlingen/Kaiserstuhl am 1. Oktober 2011 einen versuchten Totschlags in drei tateinheitlichen Fällen, eine gefährliche Körperverletzung und andere Delikte zum Nachteil von Personen aus dem linken politischen Spektrum begangen zu haben.

Nach den Feststellungen des Landgerichts sollte am 1. Oktober 2011 in Bahlingen/Kaiserstuhl eine "Solidaritätsveranstaltung" rechtsradikaler Gruppen stattfinden, zu der auswärtige Teilnehmer erwartet wurden. Dem Angeklagten soll dabei die Aufgabe zugefallen sein, ortsunkundige Teilnehmer zum Veranstaltungsort zu lotsen. Zu diesem Zweck soll er mit seinem Pkw auf einem Park & Ride-Parkplatz Position bezogen haben, der den Veranstaltungsteilnehmern als Treffpunkt angekündigt worden war.

Eine dem linken politischen Spektrum zuzuordnende Personengruppe, zu der auch die drei Nebenkläger gehörten, soll von der Veranstaltung und dem Treffpunkt Kenntnis erlangt und daraufhin beschlossen haben, den Angeklagten von seinem Standort zu vertreiben, um eine Weiterleitung von Veranstaltungsteilnehmern zu verhindern. Das Landgericht geht davon aus, dass die drei Nebenkläger und zwei weitere Personen von einem nahegelegenen Parkplatz über eine Straße in Richtung des in seinem Pkw sitzenden Angeklagten gelaufen sind, um ihn körperlich anzugreifen. Dabei sollen sie vermummt gewesen sein und Reizgas sowie mit Quarzsand präparierte Handschuhe mitgeführt haben. Als der Angeklagte die auf ihn zulaufende noch 15 Meter entfernte Gruppe gesehen und deren Angriffsabsicht erkannt habe, soll er sein Fahrzeug gestartet und mit Vollgas auf sie zugefahren sein. Die Möglichkeit in entgegengesetzter Richtung davon zu fahren habe er nicht genutzt. Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte dabei damit gerechnet hat, dass die sich in seinem Fahrweg befindenden Nebenkläger rechtzeitig ausweichen können und deshalb lediglich Verletzungen beim Ausweichen erleiden könnten. Ihren möglichen Tod soll er dagegen nicht billigend in Kauf genommen haben. Einer der Nebenkläger erlitt schwere Verletzungen, weil er entgegen den Erwartungen des Angeklagten nicht zur Seite, sondern auf die Motorhaube des sich mit einer Geschwindigkeit von 25 – 30 km/h nähernden Fahrzeuges gesprungen sein soll.

Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte durch sein Verhalten die Tatbestände der gefährlichen Körperverletzung, der versuchten gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen und des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr erfüllt hat. Obgleich der Angeklagte einem rechtswidrigen Angriff der Nebenkläger ausgesetzt gewesen sei, hat das Landgericht eine Rechtfertigung durch Notwehr verneint, weil für ihn die Möglichkeit bestanden habe, ohne Eigengefährdung davon zu fahren. Dies sei ihm auch zuzumuten gewesen. Der Angeklagte sei jedoch nach § 33 StGB* entschuldigt, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass er sich infolge des überraschenden Angriffs von fünf vermummten Personen in Panik befunden und deshalb für ein Zufahren auf die Nebenkläger und gegen die ihm mögliche Flucht entschieden habe.

Gegen das Urteil haben die Staatsanwaltschaft sowie die drei Nebenkläger Revision eingelegt und jeweils die Verletzung sachlichen Rechts gerügt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich gegen die Anwendung des § 33 StGB und begehrt zudem die Verurteilung wegen versuchten Totschlags. Ziel der Nebenklägerrevisionen ist eine Verurteilung wegen eines versuchten Tötungsdelikts in Tateinheit mit einem vollendeten Körperverletzungsdelikt zum Nachteil der jeweiligen Nebenkläger.

* § 33 Überschreitung der Notwehr

Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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