Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 110/2013

Zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete bei einer ehemaligen Bergarbeitersiedlung

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung zu einer Reihe von gleichgelagerten Fällen mit der Frage befasst, wann ein Gutachten als ungeeignet zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete angesehen werden muss.

Die Beklagten sind Mieter von Doppelhaushälften der Klägerin in Ahlen. Die Mietobjekte gehören zu der in den Jahren 1910 bis 1924 durch die Bergwerksgesellschaft Westfalen errichteten "Zechensiedlung Neustadt", die bis zur Schließung der Zeche "Westfalen" im Jahr 2000 subventioniert und fast ausschließlich von Bergleuten bewohnt war. Die Siedlung besteht aus überwiegend älterer Bausubstanz im gleichförmigen Siedlungsstil und steht wegen ihres Charakters als Gartenstadt unter Denkmalschutz. Im Jahr 2005 verlangte die Klägerin unter Bezugnahme auf den Mietspiegel von Ahlen für eine Vielzahl ihrer Mietobjekte in der Zechensiedlung die Zustimmung zu einer Erhöhung der monatlichen Nettomiete. Die Beklagten erteilten die Zustimmung nicht.

Das Amtsgericht hat die auf Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung gerichteten Klagen abgewiesen. Es hat die ortsübliche Vergleichsmiete mit Hilfe eines Sachverständigen anhand des (einfachen) Mietspiegels von Ahlen ermittelt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass diese niedriger als die bisher gezahlte Miete ist und somit kein Anspruch auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung besteht. Das Berufungsgericht hat die erstinstanzlichen Urteile abgeändert und den Klagen (in zwei Fällen ganz, in einem Fall teilweise) stattgegeben. Es hat sich auf ein Sachverständigengutachten gestützt, das ausschließlich Wohnungen der Klägerin aus der ehemaligen Zechensiedlung als Vergleichsobjekte herangezogen hat.

Die vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen der Beklagten hatten Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Gutachten als Grundlage für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete* ungeeignet ist, wenn es nur Vergleichswohnungen aus einer einzigen Siedlung, die im Eigentum ein und desselben Vermieters steht, berücksichtigt. Denn der Sachverständige muss bei der Ermittlung der Einzelvergleichsmiete ein breites Spektrum von Vergleichswohnungen aus der Gemeinde berücksichtigen.

Das Berufungsgericht hat daher seiner Entscheidung rechtsfehlerhaft das von ihm eingeholte Gutachten zugrunde gelegt und den Mietspiegel** der Stadt Ahlen als vermeintlich nicht taugliche Erkenntnisquelle außer Betracht gelassen. Der Senat hat die Urteile des Berufungsgerichts aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, und die Sachen an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses Feststellungen zu der ortsüblichen Vergleichsmiete treffen kann.

*§ 558 BGB: Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete

(2) Die ortsübliche Vergleichsmiete wird gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen nach § 560 abgesehen, geändert worden sind. …

**§ 558c BGB: Mietspiegel

(1) Ein Mietspiegel ist eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete, soweit die Übersicht von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter gemeinsam erstellt oder anerkannt worden ist.

Urteil vom 3. Juli 2013 - VIII ZR 263/12

AG Ahlen - Urteil vom 7. Juli 2009 – 9 C 430/05

LG Münster - Urteil vom 3. Juli 2012 – 06 S 68/09

Karlsruhe, den 3. Juli 2013

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