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Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Monat Februar 2011 » Pressemitteilung Nr. 32/11 vom 22.2.2011

Siehe auch:  Beschluss des Großer Senats für Strafsachen vom 12.1.2011 - GSSt 1/10 -

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Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr.32/2011

Keine stunden- oder tagelange Verlesung

von Anklageschriften

Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs hat die Anforderungen an die nach der Strafprozessordnung zu Beginn der Hauptverhandlung erforderliche Verlesung des Anklagesatzes für Strafverfahren präzisiert, die eine Vielzahl von gleichartig begangenen Straftaten zum Gegenstand haben.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Ausgangsverfahren waren dem Hauptangeklagten Serien von Betrugstaten - insgesamt mehr als 1.400 Taten - vorgeworfen worden. Er hatte in einem Zeitraum von knapp fünf Jahren aus von ihm gegründeten Gesellschaften heraus die Geschädigten – zumeist Handwerker und Gewerbetreibende – mit Hilfe seiner mitangeklagten Mittäter, die als Vermittler agierten, durch täuschende Angaben zum Abschluss von Verträgen über völlig nutzlose Werbeanzeigen veranlasst. Den Tatopfern waren dadurch Schäden in unterschiedlicher Höhe entstanden. Der Gesamtschaden belief sich auf mehr als 1,8 Millionen Euro.

In der Anklageschrift hatte die Staatsanwaltschaft im so genannten Anklagesatz die sämtliche Einzeltaten prägende gleichartige Begehungsweise geschildert sowie den Tatzeitraum, die Zahl der dem Hauptangeklagten und den Mitangeklagten jeweils vorgeworfenen Einzeltaten und den Gesamtschaden angegeben. Die individuellen Merkmale der Einzeltaten (Name, Anschrift und Telefonnummer des Geschädigten, Tag des Anrufs und der Bestellung, Name des anrufenden Mittäters, Höhe des Einzelschadens) waren in mehreren Listen mit fortlaufenden Nummern zusammengestellt, die der Anklageschrift als Anlagen beigefügt und im Anklagesatz in Bezug genommen waren. Für die Mitangeklagten waren die Einzeltaten, an denen sie jeweils beteiligt waren, in weiteren Listen zusammengestellt. Diese Listen bestanden ausschließlich aus Zahlen. Insgesamt hatten die – eng beschriebenen - Listen einen Umfang von mehr als 100 Seiten.

Mit ihren Rechtsmitteln hatten zwei der Angeklagten es als einen Verstoß gegen die Strafprozessordnung beanstandet, dass der Staatsanwalt bei der Verlesung des Anklagesatzes in der Hauptverhandlung die Listen nicht mit verlesen hatte. Im Revisionsverfahren war deshalb zu klären, welche Anforderungen in Strafverfahren wegen einer Vielzahl gleichartig begangener Taten an die Verlesung des Anklagesatzes zu stellen sind. In der Strafrechtspraxis gewinnt diese Frage zunehmend an Bedeutung.

Der Große Senat für Strafsachen hat nunmehr entschieden, dass es in solchen Strafverfahren genügt, wenn ein inhaltlich auf den wesentlichen Kern reduzierter Teil des Anklagesatzes verlesen wird; Listen wie die im Ausgangsverfahren brauchen nach der Strafprozessordnung nicht vorgelesen zu werden. Er hat dieses Ergebnis aus einer Auslegung des Begriffs "Verlesen" abgeleitet und unter anderem hervorgehoben, dass das Gesetz nicht will, dass stunden- oder tagelang Tatdetails und Daten verlesen werden, die sich in ihrer Massierung durch Zuhören weder den Verfahrensbeteiligten noch anwesenden Zuhörern einprägen; eine solche Verlesung, der kein Zuhörer über längere Zeit folgen könnte, nähme in erheblichem Umfang Ressourcen in Anspruch, ohne irgendeinen Ertrag für das weitere Verfahren zu bringen. Durch den Verzicht auf die Verlesung der Einzeltatdetails werden Rechte der Verfahrensbeteiligten nicht berührt und die Verteidigung des Angeklagten nicht erschwert.

Wie der Große Senat für Strafsachen betont hat, bleibt die Pflicht des Gerichts, den Sachverhalt in der Hauptverhandlung in allen Einzelheiten aufzuklären, von der Entscheidung unberührt.

Beschluss vom 12. Januar 2011 – GSSt 1/10

Landgericht Mannheim vom 12. Dezember 2008 – 22 KLs 628 Js 34798/02

Karlsruhe, den 22. Februar 2011

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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