Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 86/2011

Tod eines unterernährten Babys muss

erneut aufgeklärt werden

Die zur Tatzeit 18 Jahre alte Angeklagte versorgte und betreute ihre im Mai 2008 geborene Tochter gemeinsam mit ihrem 21-jährigen Lebensgefährten seit Oktober 2008 nur noch unzureichend. Auch nachdem sich der sichtbar schlechte körperliche Zustand des Kindes ab Februar 2009 lebensbedrohlich verschärfte, nahmen die Angeklagten keine ärztliche Hilfe in Anspruch. Der zuständigen Betreuerin des Jugendamtes spiegelte die Mutter vor, dass alles in Ordnung sei. In der Nacht vom 10. auf den 11. März 2009 verstarb das Kind; aufgrund gerichtsmedizinischer Erkenntnisse ist ein von der Unterernährung unabhängiger plötzlicher Kindstod nicht sicher ausgeschlossen worden.

Das Jugendschwurgericht des Landgerichts Hamburg hat beide Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen zu Jugendstrafen verurteilt und deren Vollstreckung jeweils zur Bewährung ausgesetzt. Das Gericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Angeklagten den lebensbedrohlichen Zustand erkannt und den Tod des Kindes in Kauf gebilligt hatten. Es hat jedoch angenommen, beide Angeklagten seien von einem Tötungsversuch durch Unterlassen strafbefreiend zurückgetreten, indem sie nach Auffinden des – von ihnen nicht erkannt – bereits verstorbenen Kindes den Notarzt alarmierten.

Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revision der Staatsanwaltschaft das Urteil insgesamt aufgehoben und die Sache an eine andere Jugendschwurgerichtskammer des Landgerichts Hamburg zurückverwiesen. Der Bundesgerichtshof beanstandet die Begründung, mit der das Landgericht den Angeklagten eine Unkenntnis vom Tod des Kindes im Zeitpunkt ihrer vorgeblichen Rettungsbemühungen zugebilligt hat. Er beanstandet auch die Strafzumessung des Landgerichts, namentlich die Anwendung von Jugendstrafrecht gegen den im Zeitpunkt der Eskalation des Geschehens bereits erwachsenen Angeklagten. Das neue Tatgericht wird auch die Frage des Tötungsvorsatzes und der Todesursache in eigener Verantwortung umfassend zu klären haben.

Urteil vom 24. Mai 2011 – 5 StR 565/10

Landgericht Hamburg – 617 Ks 15/09 – Urteil vom 16. Juli 2010

Karlsruhe, den 25. Mai 2011

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