Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 89/2011

Fortdauer zeitlich unbeschränkter Sicherungsverwahrung gegen höchstgefährliche, psychisch gestörte Straftäter

Durch Vorlagen von Oberlandesgerichten ist der Bundesgerichtshof mit der Frage befasst worden, ob erstmals in der Sicherungsverwahrung Untergebrachte aufgrund einer rückwirkend in Kraft getretenen Gesetzesverschärfung über die zuvor geltende strikte Höchstfrist der Unterbringungsdauer von zehn Jahren hinaus in der Sicherungsverwahrung belassen werden dürfen oder als Folge des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (NJW 2010, 2495) nach zehn Jahren ohne weitere Sachprüfung zu entlassen sind.

Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hatte eine Pflicht zur unbedingten Entlassung mit Beschluss vom 9. November 2010 verneint, dies allerdings nur unter der Voraussetzung einer hinreichend konkretisierten hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualverbrechen des Untergebrachten (dazu Presseerklärung Nr. 213/2010). Er hatte bei den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs angefragt, ob dieser Auffassung zugestimmt oder an entgegenstehender Rechtsprechung des 4. Strafsenats festgehalten werde. Die Anfrage war von den anderen Strafsenaten unterschiedlich beantwortet worden.

Nunmehr hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 4. Mai 2011 grundlegend über die Verfassungsmäßigkeit der Sicherungsverwahrung entschieden. Mit Gesetzeskraft hat es die rückwirkende Anordnung fortdauernder Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nur bei Erfüllung des im Beschluss des 5. Strafsenats entwickelten Gefährlichkeitsmaßstabs und unter der weiteren Voraussetzung einer psychischen Störung des Verurteilten – bis zu einer insgesamt gebotenen Neuregelung der Sicherungsverwahrung – für zulässig befunden.

Der 5. (Leipziger) Strafsenat hat die Vorlegungsfrage in Übereinstimmung mit diesen Vorgaben entschieden. Einer Befassung des Großen Sentas für Strafsachen des Bundesgerichtshofs bedurfte es nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr.

Beschluss vom 23. Mai 2011 – 5 StR 394/10, 440/10 und 474/10

Oberlandesgericht Stuttgart – 1 Ws 57/10 – Beschluss vom 19. August 2010

Oberlandesgericht Celle – 2 Ws 270/10 – Beschluss vom 9. September 2010

Oberlandesgericht Koblenz – 1 Ws 108/10 – Beschluss vom 30. September 2010

Karlsruhe, den 27. Mai 2011

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