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Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Jahr 2010 » Pressemitteilung Nr. 11/10 vom 19.1.2010

Siehe auch:  Urteil des VIII. Zivilsenats vom 24.3.2010 - VIII ZR 178/08 -, Urteil des VIII. Zivilsenats vom 27.1.2010 - VIII ZR 326/08 -, Urteil des VIII. Zivilsenats vom 24.3.2010 - VIII ZR 304/08 -

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Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr.11/2010

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir möchten folgende Terminhinweise geben:

Der Verkündungstermin in den Verfahren VIII ZR 178/08 und VIII ZR 304/08 (siehe Pressemitteilung 186/2010) wurde verlegt vom 27. Januar 2010 auf den 24. März 2010

Verhandlungstermin: 27. Januar 2010

VIII ZR 326/08

LG Potsdam - Urteil vom 13. November 2007 - 12 O 163/07

OLG Brandenburg – Urteil vom 19. November 2008 - 7 U 223/07

Das beklagte Gasversorgungsunternehmen verwendet seit April 2007 für Tarifkunden neben der Gasgrundversorgungsverordnung (GasGVV) "Ergänzende Bedingungen … zur GasGVV" und für Sonderkunden "Besondere Bedingungen für die Belieferung von Haushalts- und Nicht-Haushaltskunden in Niederdruck außerhalb der Grundversorgung". Der klagende Verbraucherschutzverband ist der Auffassung, insgesamt fünf der darin enthaltenen Klauseln benachteiligten die Kunden der Beklagten unangemessen. Mit seiner Klage verlangt er von der Beklagten die Unterlassung der Verwendung dieser Klauseln. Das Klauselwerk lautet auszugsweise wie folgt (die vom Kläger beanstandeten Klauseln sind in Kursivdruck wiedergegeben):

"A. Ergänzende Bedingungen zur GasGVV

IX. Einstellung der Versorgung

1. E. ist u. a. bei Nichterfüllung der Zahlungsverpflichtung trotz Zahlungserinnerung gemäß § 19 Abs. 2 GasGVV berechtigt, die Gasversorgung vier Wochen nach Androhung einzustellen zu lassen [Klausel Nr. 1]. Die Wiederinbetriebnahme erfolgt in diesen Fällen regelmäßig erst dann, wenn die offenen Gaslieferungsforderungen und die Kosten der Versorgungseinstellung und der Wiederinbetriebnahme in voller Höhe beglichen wurden.

2. Eine in nicht unerheblichem Maße schuldhafte Zuwiderhandlung des Kunden gegen die GasGVV im Sinne von § 19 Abs. 1 GasGVV liegt vor, wenn der Kunde grob fahrlässig oder vorsätzlich handelt [Klausel Nr. 2].

X. Preisänderungen

1. Änderungen der allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen werden gemäß § 5 Abs. 2 GasGVV jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss [Klausel Nr. 3].

2. Im Falle einer Änderung nach Abs. 1 steht dem Kunden nach § 5 Abs. 3 GasGVV ein Sonderkündigungsrecht zu. Das Sonderkündigungsrecht muss innerhalb einer Frist von sechs Wochen ab Veröffentlichung der Preisänderung gemäß § 5 Abs. 3 GasGVV ausgeübt werden. Ist der neue Lieferant nicht in der Lage, die Versorgung des Kunden unmittelbar nach dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung aufzunehmen, gelten die allgemeinen Preise bzw. Ergänzenden Bestimmungen dem Kunden gegenüber weiter. Dies gilt maximal für den Zeitraum, den der neue Lieferant ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Rahmen eines üblichen Wechselprozesses benötigt, um die Belieferung aufzunehmen. Als üblicher Zeitraum gelten maximal zwei Monate. Erfolgt nach Ablauf dieser Frist keine Versorgung durch den neuen Lieferanten, fällt der Kunde in die Ersatzversorgung [Klausel Nr. 4].

B. Besondere Bedingungen für die Belieferung von Haushalts- und Nicht-Haushaltskunden in Niederdruck außerhalb der Grundversorgung

IV. Preisänderungen und Sonderkündigungsrecht

1. Änderungen der Sonderpreise E. Klassik und E. Komfort werden entsprechend § 5 GasGVV jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss [Klausel Nr. 5]. Das Änderungsrecht der E. nach Satz 1 bezieht sich beim Sonderpreis Komfort auf beide Preisbestandteile, d. h., sowohl auf den zugrunde liegenden E. Klassik-Preis als auch auf den Rabatt. Im Falle einer Preis- oder Rabattänderung steht dem Kunden entsprechend § 5 Abs. 3 GasGVV ein Sonderkündigungsrecht zu. Bezüglich der Voraussetzungen und Folgen einer solchen Kündigung wird auf Ziffer X. Absatz 2 der Ergänzenden Bedingungen zur GasGVV verwiesen.

…"

Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich der Klausel Nr. 3 abgewiesen und ihr hinsichtlich der Klauseln Nr. 1 und 2 eingeschränkt, im Übrigen voll stattgegeben. Auf die Berufungen beider Parteien hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil dahingehend abgeändert, dass die Klage auch hinsichtlich Klausel Nr. 3 zugesprochen, im Hinblick auf Klausel Nr. 4 hingegen abgewiesen worden ist. Zur Begründung hat das Oberlandesgericht ausgeführt:

Klausel Nr. 1 sei gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. § 19 Abs. 2 GasGVV* werde darin nur teilweise in Bezug genommen. Dadurch werde der Eindruck erweckt, dass die nicht in die Klausel aufgenommene Vorschrift des § 19 Abs. 2 Satz 2 GasGVV nicht gelten solle, nach der die Unterbrechung der Grundversorgung ausgeschlossen sei, wenn die Folgen der Unterbrechung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stünden oder der Kunde darlege, dass hinreichende Aussicht bestehe, er werde seinen Verpflichtungen nachkommen. Dies führe zu einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden.

Klausel Nr. 2 sei missverständlich und deshalb ebenfalls unwirksam. Zum einen wiederhole sie § 19 Abs. 1 GasGVV nur unvollständig und lasse sie nicht erkennen, ob der andere Teil der Vorschrift auch gelten solle. Zum anderen könne die Klausel als Versuch der Beklagten gewertet werden, den in § 19 Abs. 1 GasGVV verwendeten Begriff "in nicht unerheblichem Maße schuldhaft" unzulässig auf ein grob fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln einzuengen, obgleich die Vorschrift eine Unterbrechung auch dann nicht zulasse, wenn dem Kunden nur ein Bagatellverstoß zur Last fiele, selbst wenn er auf grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz beruht.

Auch Klausel Nr. 3 führe zu einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden. Sie gebe den Wortlaut der von ihr in Bezug genommenen Vorschrift des § 5 Abs. 2 GasGVV* nur unvollständig wieder. Denn sie beziehe sich nur auf Satz 1 dieser Bestimmung, ohne deren Satz 2 zu erwähnen, der dem Versorger eine Pflicht auferlege, den Kunden zusätzlich durch Brief von einer Preiserhöhung zu unterrichten.

Klausel Nr. 4 halte einer Inhaltskontrolle hingegen stand. Denn sie weiche nicht zum Nachteil des Kunden von § 5 Abs. 3 GasGVV ab, weil diese Vorschrift nichts darüber aussage, zu welchem Zeitpunkt die Lieferbeziehung zu dem bisherigen Versorger ende und wann die Lieferbeziehung mit dem neuen Versorger beginne. Hinsichtlich des nicht geregelten Endzeitpunktes der bisherigen Lieferbeziehung könne § 5 Abs. 3 GasGVV deshalb durch ergänzende Bedingungen konkretisiert werden.

Klausel Nr. 5 sei wieder unwirksam. Denn sei dem Klauselverwender eine Begrenzung künftiger Preiserhöhungen und eine Konkretisierung der hierfür notwendigen Voraussetzungen nicht möglich, müsse er dem Kunden einen angemessenen Ausgleich durch Einräumung eines Rechts zur Lösung vom Vertrag schaffen. Dies setze voraus, dass der Kunde vorab über die beabsichtigte Preiserhöhung informiert werde und sich vom Vertrag lösen könne, bevor sie wirksam werde. Diesen Anforderungen genüge die Klausel nicht.

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision die vollständige Klageabweisung. Der Kläger verfolgt mit seiner Revision den Unterlassungsantrag im Hinblick auf Klausel Nr. 4 weiter.

Gasgrundversorgungsverordnung (GasGVV)

§ 5 Art der Versorgung  

(1) …

(2) Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen werden jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss. Der Grundversorger ist verpflichtet, zu den beabsichtigten Änderungen zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen.

(3) Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen werden gegenüber demjenigen Kunden nicht wirksam, der bei einer fristgemäßen Kündigung des Vertrages mit dem Grundversorger die Einleitung eines Wechsels des Versorgers durch entsprechenden Vertragsschluss innerhalb eines Monats nach Zugang der Kündigung nachweist.

§ 19 Unterbrechung der Versorgung  

(1) Der Grundversorger ist berechtigt, die Grundversorgung ohne vorherige Androhung durch den Netzbetreiber unterbrechen zu lassen, wenn der Kunde dieser Verordnung in nicht unerheblichem Maße schuldhaft zuwiderhandelt und die Unterbrechung erforderlich ist, um den Gebrauch von Gas unter Umgehung, Beeinflussung oder vor Anbringung der Messeinrichtungen zu verhindern.

(2) Bei anderen Zuwiderhandlungen, insbesondere bei der Nichterfüllung einer Zahlungsverpflichtung trotz Mahnung, ist der Grundversorger berechtigt, die Grundversorgung vier Wochen nach Androhung unterbrechen zu lassen und den zuständigen Netzbetreiber nach § 24 Abs. 3 der Niederdruckanschlussverordnung mit der Unterbrechung der Grundversorgung zu beauftragen. Dies gilt nicht, wenn die Folgen der Unterbrechung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen oder der Kunde darlegt, dass hinreichende Aussicht besteht, dass er seinen Verpflichtungen nachkommt. Der Grundversorger kann mit der Mahnung zugleich die Unterbrechung der Grundversorgung androhen, sofern dies nicht außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung steht.

(3) Der Beginn der Unterbrechung der Grundversorgung ist dem Kunden drei Werktage im Voraus anzukündigen.

(4) Der Grundversorger hat die Grundversorgung unverzüglich wiederherstellen zu lassen, sobald die Gründe für ihre Unterbrechung entfallen sind und der Kunde die Kosten der Unterbrechung und Wiederherstellung der Belieferung ersetzt hat. Die Kosten können für strukturell vergleichbare Fälle pauschal berechnet werden; die pauschale Berechnung muss einfach nachvollziehbar sein. Die Pauschale darf die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Kosten nicht übersteigen. Auf Verlangen des Kunden ist die Berechnungsgrundlage nachzuweisen. Der Nachweis geringerer Kosten ist dem Kunden zu gestatten.

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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