Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 57/2010

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir möchten folgenden Terminhinweis geben:

Verhandlungstermin: 28. April 2010

IV ZR 73/08

IV ZR 230/08

Berechnungsgrundlage für Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 Abs. 1 BGB bei widerruflicher Bezugsrechtseinräumung im Rahmen von Lebensversicherungsverträgen

Der insbesondere für das Versicherungsvertragsrecht und das Erbrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird sich im Rahmen zweier Revisionsverfahren mit der seit Schaffung des BGB umstrittenen Rechtsfrage zu befassen haben, auf Grundlage welchen Werts ein Pflichtteilsberechtigter eine Ergänzung nach § 2325 Abs. 1 BGB verlangen kann, wenn der Erblasser die Todesfallleistung einer von ihm auf sein eigenes Leben abgeschlossenen Lebensversicherung mittels einer widerruflichen Bezugsrechtsbestimmung einem Dritten zugewendet hat.

IV ZR 73/08

Landgericht Mönchengladbach – Urteil vom 29. Juni 2007 – 11 O 433/06

Oberlandgericht Düsseldorf – Urteil vom 22. Februar 2008 – I-7 U 140707

Der Kläger ist der einzige Sohn des Erblassers, der Beklagte dessen Bruder. Beim Tod des Erblassers war der Beklagte als Alleinerbe und außerdem widerruflich als Bezugsberechtigter einer vom Erblasser auf sein eigenes Leben abgeschlossenen Lebensversicherung eingesetzt. Wegen der Bezugsrechtseinsetzung floss dem Beklagten die Versicherungsleistung außerhalb des Nachlasses und damit unbelastet von Pflichtteilsansprüchen des Klägers zu. Dem Grunde nach unstreitig hat der Kläger insoweit jedoch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 Abs. 1 BGB.

Die Parteien streiten um die Berechnungsgrundlage dieses Anspruchs. Der Kläger ist der Ansicht, der Berechnung sei die gesamte vom Versicherer an den Beklagten ausgezahlte Todesfallleistung zu Grunde zu legen, und nicht nur - wie der Beklagte meint - die - niedrigere - Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien.

Und

IV ZR 230/08

Landgericht Berlin – Urteil vom 27. Juli 2007 – 8 O 90/07

Kammergericht – Urteil vom 13.03.2008 – 16 U 35/07

Die Kläger sind ersteheliche Söhne des Erblassers, die Beklagte dessen zweite Ehefrau. Beim Tod des Erblassers war die Beklagte als Alleinerbin und außerdem widerruflich als Bezugsberechtigte zweier vom Erblasser auf sein eigenes Leben abgeschlossenen Lebensversicherungen eingesetzt. Wie im Verfahren IV ZR 73/08 streiten die Parteien um die Berechnungsgrundlage des Pflichtteilsergänzungsanspruchs.

Die jeweiligen Berufungsgerichte haben die entscheidende Rechtsfrage unterschiedlich beantwortet. Während das Oberlandesgericht Düsseldorf den Pflichtteilsergänzungsanspruchs auf Grundlage der vollen Versicherungs-summe berechnet hat, ist das Kammergericht von der Summe der gezahlten Prämien als Berechnungsgrundlage ausgegangen.

Die Rechtsprechung - auch des erkennenden Senats - und die herrschende Literatur haben die Frage seit einer Entscheidung des Reichsgerichts vom 25. März 1930 (RGZ 128, 187) bisher dahingehend beantwortet, dass lediglich die Summe der vom Erblasser zu seinen Lebzeiten gezahlten Prämien entscheidend sei. An dem darüber hinausgehenden Teil der Versicherungsleistung könne der Pflichtteilsberechtigte nicht teilhaben. Zwischenzeitlich hat der IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs für eine ähnliche Fragestellung im Insolvenzrecht entschieden, dass nicht - wie nach der bisher herrschenden Ansicht - auf die Prämiensumme, sondern auf die gesamte Versicherungsleistung abzustellen sei (BGHZ 156, 350). Von einigen Instanzgerichten und mehreren Stimmen in der rechtswissenschaftlichen Literatur wird erwartet, dass auch der erkennende Senat seine Rechtsprechung ändern und Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht mehr nach der Prämiensumme, sondern nach der gesamten Versicherungsleistung bemessen wird.

Da die in der Bundesrepublik Deutschland in Lebensversicherungsverträge investierten Beträge im Milliardenbereich liegen und die widerrufliche Einräumung von Bezugsrechten ein weit verbreitetes Mittel bei der Nachlassgestaltung darstellt, wird der Entscheidung - neben der rechtlichen Bedeutung - auch erhebliche wirtschaftliche und praktische Wirkung zukommen.

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