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Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Monat August 2008 » Pressemitteilung Nr. 157/08 vom 15.8.2008

Siehe auch:  Beschluss des 3. Strafsenats vom 7.8.2008 - StB 10/08 -, Beschluss des 3. Strafsenats vom 7.8.2008 - StB 11/08 -, Beschluss des 3. Strafsenats vom 7.8.2008 - StB 9/08 -

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Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 157/2008

Keine Erzwingungshaft gegen ehemalige RAF-Mitglieder

Der u. a. für Staatsschutzstrafsachen zuständige 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat den Beschwerden der ehemaligen RAF-Mitglieder Christian Klar, Brigitte Mohnhaupt und Knut Folkerts stattgegeben, mit denen sie sich gegen Erzwingungshaftanordnungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs wenden.

Dem Verfahren liegt folgendes zugrunde:

Die Bundesanwaltschaft leitete im April 2007 Ermittlungsverfahren gegen das ehemalige RAF-Mitglied Stefan Wisniewski wegen Verdachts des Mordes und des versuchten Mordes ein. Gegenstand dieser Verfahren sind der Anschlag auf Generalbundesanwalt Buback und seine beiden Begleiter vom 7. April 1977 und der versuchte Granatwerferanschlag auf die Bundesanwaltschaft vom 25. August 1977. Im Rahmen dieser Ermittlungsverfahren vernahm die Bundesanwaltschaft im Juli/August 2007 die Beschwerdeführer sowie das ehemalige RAF-Mitglied Günter Sonnenberg als Zeugen. Die Beantwortung der an sie gerichteten Fragen, u. a. zur Planung, Vorbereitung und Durchführung der beiden Anschläge, lehnten die Zeugen jedoch unter Berufung darauf ab, dass ihnen ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO zustehe. Daraufhin setzte der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs auf Antrag der Bundesanwaltschaft mit Beschlüssen vom 28. Dezember 2007 gegen die Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld in Höhe von 100 Euro, ersatzweise Ordnungshaft von fünf Tagen fest und ordnete Erzwingungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten an, während er entsprechende Anordnungen gegen Günter Sonnenberg ablehnte.

Auf die von den Zeugen Klar, Mohnhaupt und Folkerts erhobenen Beschwerden hat der 3. Strafsenat die Anordnungen des Ermittlungsrichters aufgehoben und die entsprechenden Anträge der Bundesanwaltschaft ebenfalls zurückgewiesen. Er hat entschieden, dass die Beschwerdeführer mit Recht ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht geltend machen. Zwar können sie sich durch die Beantwortung von Fragen zu den beiden Anschlägen, die Gegenstand der Ermittlungsverfahren gegen Stefan Wisniewski sind, nicht mehr in die Gefahr bringen, wegen dieser Taten strafrechtlich verfolgt zu werden. Denn wegen dieser Anschläge sind sie entweder bereits rechtskräftig verurteilt oder können aus anderen rechtlichen Gründen nicht mehr belangt werden. Jedoch kann nicht mit der gebotenen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass sich die Beschwerdeführer durch diesbezügliche Aussagen der Gefahr der Strafverfolgung hinsichtlich anderer Straftaten aussetzen, für die sie noch bestraft werden können. Denn nach den Gründen des gegen Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt ergangenen Urteils des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 2. April 1985 bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Anschläge gegen Generalbundesanwalt Buback und die Bundesanwaltschaft Teil einer eng zusammenhängenden Anschlagsserie der RAF im Jahre 1977, der so genannten "Offensive 77", waren, in deren Planung, Vorbereitung und Ausführung sämtliche damaligen Mitglieder der RAF eingebunden waren, zu denen auch die Beschwerdeführer zählten. Das Urteil des Oberlandesgerichts enthält darüber hinaus Hinweise, dass die Beschwerdeführer auch an Taten der "Offensive 77" beteiligt gewesen sein können, deretwegen gegen sie bislang noch nicht ermittelt wurde. So soll der Beschwerdeführer Folkerts bei der Ausforschung der Lebensumstände des am 30. Juli 1977 ermordeten Bankiers Ponto mitgewirkt haben. Bezüglich der Beschwerdeführer Klar und Mohnhaupt, die nach den Feststellungen des vorgenannten Urteils maßgeblich in Planung und Ausführung der "Offensive 77" verstrickt waren, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie auch an dem Raubüberfall auf den Waffenhändler F. am 1. Juli 1977 beteiligt waren, bei dem Mitglieder der RAF den Inhaber des Geschäfts zu töten versuchten und Waffen erbeuteten; denn bislang konnten noch nicht alle unmittelbar an dieser Tat beteiligten RAF-Mitglieder ermittelt werden. Die Beschwerdeführerin Mohnhaupt trug darüber hinaus bei ihrer Festnahme am 11. November 1982 eine Waffe bei sich, die dem Raubüberfall auf das Waffengeschäft F. entstammte.

Vor dem Hintergrund dieser vom Oberlandesgericht Stuttgart festgestellten engen Verknüpfung der Anschlagsserie der RAF im Jahr 1977 ist es denkbar, dass aus Angaben der Beschwerdeführer zur Planung, Vorbereitung und Ausführung der Anschläge gegen Generalbundesanwalt Buback und seine Begleiter sowie gegen die Bundesanwaltschaft Rückschlüsse auf eine Tatbeteiligung des Beschwerdeführer Folkerts an der Ermordung des Bankiers Ponto sowie der Beschwerdeführer Mohnhaupt und Klar am Raubüberfall auf das Waffengeschäft F. gezogen werden können und diese Erkenntnisse der Bundesanwaltschaft Veranlassung geben, entsprechende Ermittlungsverfahren gegen die Beschwerdeführer einzuleiten.

Beschluss vom 7. August 2008 - StB 9/08, StB 10/08 und StB 11/08

Karlruhe, den 15. August 2008

Die hier in Rede stehende Vorschrift des § 55 Abs. 1 StPO (Auskunftsverweigerungsrecht) lautet:

Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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