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Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Monat April 2008 » Pressemitteilung Nr. 83/08 vom 24.4.2008

Siehe auch:  Beschluss des 1. Strafsenats vom 16.4.2008 - 1 StR 83/08 -

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Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 83/2008

Verurteilung der ehemaligen baden-württembergischen Justiz-ministerin wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen rechtskräftig

Mit Urteil vom 27. September 2007 hat das Landgericht Stuttgart die Angeklagte Corinna Werwigk-Hertneck, die bis zu ihrem Rücktritt am 22. Juli 2004 Justizmini-sterin des Landes Baden-Württemberg war, wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

Nach den Urteilsfeststellungen erfuhr die Angeklagte in der Funktion als Justizministerin durch einen von einem Mitarbeiter ihres Ministeriums "außerhalb der Akten" verfassten Vermerk, dass in einem von der Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen krimineller Aktivitäten bei der Firmengruppe "FlowTex" geführten Ermittlungsverfahren relevante Unterlagen sichergestellt worden waren. Diese erhärteten den Verdacht, dass Dr. Walter Döring, der damalige baden-württembergische Wirtschaftsminister und wie die Angeklagte Mitglied der Freien Demokratischen Partei (F.D.P.), vor dem im selben Zusammenhang vom 13. Landtag Baden-Württembergs gebildeten Untersuchungsausschuss wahrheitswidrig ausgesagt hatte. In einem Telefonat am 17. Juni 2004 unterrichtete die Angeklagte ihn über die angefallenen Ermittlungsergebnisse. Am 6. Juli 2004 informierte sie Dr. Döring ebenfalls telefonisch über durch weitere Ermittlungen gewonnene Erkenntnisse, die dem Justizministerium am Vortag von der Staatsanwaltschaft Stuttgart berichtet worden waren (siehe auch Pressemitteilung Nr. 069/08 vom 8.4.2008).

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die von der Angeklagten gegen das Urteil eingelegte Revision verworfen. Er hat sich dabei insbesondere mit der Würdigung der Beweise und der Bemessung der Strafe befasst, wie sie das Landgericht in den schriftlichen Urteilsgründen dargelegt hat.

Der Bundesgerichtshof hat Fehler bei der Beweiswürdigung nicht zu erkennen vermocht. Hierzu hat er bemerkt:

"Das Landgericht hat die Aussage der die Taten bestreitenden Angeklagten sorgfältig geprüft und mit den Angaben der Belastungszeugen abgewogen. Insbesondere konnte es die Aussage des Zeugen Dr. Döring für zuverlässig halten, er habe die die Straftaten begründenden Informationen in Telefonanrufen der Angeklagten erfahren. Insoweit konnte sich das Landgericht auch auf objektive Umstände stützen, wie die Verbindungsdaten zu diesen Telefonaten, die in signifikantem zeitlichen Zusammenhang mit den sonstigen gesicherten Erkenntnissen standen, sowie einen sichergestellten, kurze Zeit nach dem zweiten Telefonat über dessen Inhalt durch den genannten Zeugen gefertigten Vermerk."

Soweit die Angeklagte beanstandet hat, das Landgericht habe nicht die Möglichkeit geprüft, anstatt einer Freiheitsstrafe eine Geldstrafe auszusprechen, ist dem der Bundesgerichtshof nicht gefolgt. Vielmehr hat er ausgeführt:

"Zu Recht hat das Landgericht als maßgeblichen … Strafschärfungsgrund … gewertet, dass die Angeklagte (auch) Geheimnisse offenbart hat, die ihr durch einen staatsanwaltschaftlichen Bericht bekannt geworden waren. Die durch Verwaltungsanordnung vorgeschriebene Berichtspflicht der Staatsanwaltschaft dient der Ausübung der gesetzlich normierten Aufsichts- und Leitungsbefugnis (§ 147 GVG) durch die Vorgesetzen des ermittelnden Staatsanwalts, insbesondere des Generalstaatsanwalts und des Justizministers. Ermittlungserkenntnisse, die zugleich Dienstgeheimnisse sind, über die berichtet wird, dürfen nicht unbefugt offenbart werden und das Ermittlungsverfahren gefährden. Die Staatsanwaltschaft muss sich deshalb darauf verlassen können, dass die unterrichteten Stellen ihrer Verschwiegenheitspflicht gewissenhaft nachkommen.

Der Schutz dieses besonders wichtigen öffentlichen Interesses erfordert bei derartigen Fallgestaltungen grundsätzlich die Verhängung einer Freiheitsstrafe. Hier kommt hinzu, dass es sich bei der Angeklagten um die an der Spitze der Landesjustizverwaltung stehende Ministerin handelte. Sie hat die Möglichkeiten, die ihr die in § 147 Nr. 2 GVG vorgesehene Dienstaufsicht zubilligt …, … missbraucht. Deshalb kam allein die Verhängung einer Freiheitsstrafe in Betracht. …

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, wie der Fall zu sanktionieren wäre, dass Mitteilungen in Berichten über noch geplante Ermittlungsmaßnahmen iSd § 33 Abs. 4 StPO – wie eine bevorstehende Durchsuchung – Dritten unbefugt mitgeteilt werden mit der Folge, dass der Zweck der Maßnahme gefährdet oder deren Erfolg gar vereitelt wird. In einem solchen Fall dürfte eine Freiheitsstrafe im unteren Bereich des Strafrahmens freilich nur dann noch angemessen sein, wenn besondere Milderungsgründe vorliegen …"

Auch die Rüge der Angeklagten, die Strafe sei deswegen zu hoch bemessen, weil das Landgericht nicht strafmildernd berücksichtigt habe, dass "der öffentliche Druck durch permanente Medienbegleitung extrem" gewesen sei, hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs muss derjenige, der – wie die Angeklagte, noch dazu an exponierter Stelle – in Ausübung seines Amtes strafrechtliche Verfehlungen begeht, mit einem besonderen Interesse an seiner Person und seiner Amtsausübung auch für den Fall der Durchführung eines Strafverfahrens rechnen.

Beschluss vom 16. April 2008 – 1 StR 83/08

Landgericht Stuttgart – Urteil vom 27. September 2007 – 5 KLs (a) 1 Js 64595/04

Karlsruhe, den 24. April 2008

§ 147 GVG [Dienstaufsicht] Das Recht der Aufsicht und Leitung steht zu:

1.…

2.der Landesjustizverwaltung hinsichtlich aller staatsanwaltschaftlichen Beamten des betreffenden Landes;

3.…

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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