Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 236/2008

Spekulativ überhöhter Einheitspreis im Bauvertrag

Der vornehmlich für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Errichtung von Bauwerken zuständige VII. Zivilsenat hatte darüber zu entscheiden, welche Rechtsfolgen die Vereinbarung eines spekulativ überhöhten Einheitspreises einer Position eines Bauvertrages hat, wenn sich gerade in dieser Position Mengenmehrungen realisieren.

Das klagende Bauunternehmen verlangt vom öffentlichen Auftraggeber Mehrvergütung wegen Mengenüberschreitungen in zwei Positionen des Leistungsverzeichnisses der Beklagten, die die Lieferung von Betonstahl und Betonstahlmatten betreffen. Die Mehrmengen von insgesamt ca. 1.400 kg hatten sich herausgestellt, nachdem der Auftraggeber für einen bestimmten Baubereich eine bislang fehlende Statik nachgeliefert hatte. Die Klägerin berechnet ihre Mehrvergütung nach § 2 Nr. 3 bzw. 5 VOB/B unter Heranziehung des von ihr im Leistungsverzeichnis eingesetzten Einheitspreises mit 2.045,14 DM/kg. Dieser Preis liegt um mehr als das 800fache über dem allgemein üblichen Durchschnittspreis von 2,47 DM/kg. Andere Bieter hatten die Positionen zwischen 1,05 DM/kg und 5,93 DM/kg angeboten.

Das Landgericht hat die Klage in diesem Punkt abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr teilweise stattgegeben. Die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

Der Bundesgerichtshof sieht berechtigten Anlass zu der Prüfung, ob die auf die Vergütung der Mehrmengen gerichtete Preisvereinbarung gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) verstößt.

Eine Vereinbarung zwischen Bauvertragsparteien, nach der dem Auftragnehmer für diejenigen Mengen einer Position, die über die im Leistungsverzeichnis geschätzten Mengen hinausgehen, ein Einheitspreis gezahlt wird, der den üblichen Preis um mehr als das Achthundertfache übersteigt, verstößt gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn der Preisbildung ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben zugrunde liegt. Dafür besteht bei einem derart auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung eine Vermutung, die der Auftragnehmer widerlegen kann. Sie wird allerdings nicht allein dadurch ausgeräumt, dass im Baugewerbe üblicherweise so genannte Spekulationspreise eingesetzt werden, wenn für den Auftragnehmer die Erwartung besteht, dass die in der Ausschreibung geschätzten Mengen in Wahrheit deutlich höher sind.

Da der Klägerin Gelegenheit gegeben werden muss, die Vermutung ihrer verwerflichen Gesinnung zu widerlegen, hat der Bundesgerichtshof die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Gleichzeitig hat er das Berufungsurteil auf die Anschlussrevision der Klägerin aufgehoben, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Dessen Begründung zur Klageabweisung, der Preis müsse auf das Zweihundertfache des üblichen Preises angepasst werden, findet im Gesetz keine Stütze.

Urteil vom 18. Dezember 2008  VII ZR 201/06 

LG Erfurt, Urteil vom 23. August 2005  3 O 1867/02 

Thüringer OLG, Urteil vom 19. September 2006  5 U 899/05 

Karlsruhe, den 18. Dezember 2008

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