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Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Monat April 2007 » Pressemitteilung Nr. 51/07 vom 27.4.2007

Siehe auch:  Urteil des 2. Strafsenats vom 27.4.2007 - 2 StR 490/06 -

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Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 51/2007

Fall Heugel ("Kölner Müllskandal") muss neu verhandelt werden

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Verurteilung des früheren Oberstadtdirektors der Stadt Köln, Dr. Heugel, auf dessen Revision wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben und die Sache an das Landgericht Köln zurückverwiesen. Der Prozess muss nun neu durchgeführt werden.

Der Angeklagte war von 1998 bis 1999 Oberstadtdirektor der Stadt Köln. Das Landgericht hat ihn wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt und den Verfall eines Betrages von 50.000,- Euro angeordnet.

Nach den Feststellungen des Landgerichts beauftragte der Angeklagte den Fraktionsvorsitzenden der SPD-Ratsfraktion R. im Jahre 1999 mit der Beschaffung von Spenden vom Zeugen T., einem Abfallentsorgungsunternehmer. Er äußerte dabei: "Ich kann das nicht machen, ich bin ja Amtsträger". Das Geld sollte der Finanzierung des im Jahr 1999 anstehenden Wahlkampfs um das Oberbürgermeisteramt in Köln dienen, um das sich der Angeklagte bewerben wollte. R. wandte sich auftragsgemäß an T., wobei dieser wusste, dass der Angeklagte hinter der Anfrage steckte. T. übergab insgesamt 150.000,- DM in bar an R. Den drei Beteiligten war jedenfalls unausgesprochen klar, dass T. mit der Geldzahlung das Ziel verfolgte, der Angeklagte solle im Rahmen seiner Tätigkeit als Oberstadtdirektor und zukünftig als Oberbürgermeister Einfluss auf den Stadtrat und auf die SPD-Fraktion nehmen, um eine Teilprivatisierung der Kölner Abfallentsorgung unter maßgeblicher Beteiligung des T. zu erreichen. Die von T. übergebenen Beträge wurden von R. zum Teil unter Vortäuschung von Kleinspenden der SPD zugewandt, zum Teil flossen sie direkt der Wahlkampfkasse im Wahlkampfbüro des Angeklagten zu.

Die gegen das Urteil des Landgerichts eingelegte Revision des Angeklagten hatte mit einer Rüge der Verletzung der §§ 250, 251 StPO Erfolg. Die Strafkammer hat frühere schriftliche, gegenüber der Staatsanwaltschaft abgegebene Erklärungen des Zeugen T. zum Tatgeschehen durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt und im Urteil verwertet, weil der zunächst geladene Zeuge bereits vor der Hauptverhandlung umfassend von seinem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO (Gefahr der Selbstbelastung) Gebrauch gemacht hatte. Deswegen war er wieder abgeladen worden und stand in der Hauptverhandlung nicht zur Verfügung. Diese Vorgehensweise des Gerichts ist nach Ansicht des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs, der über eine solche Konstellation nun erstmalig zu entscheiden hatte, unzulässig. Grundsätzlich darf die Vernehmung eines Zeugen nicht durch Verlesung einer von ihm stammenden schriftlichen Erklärung ersetzt werden, § 250 S. 2 StPO. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind in § 251 StPO geregelt. Der für die vorliegende Fallgestaltung einschlägige § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO erlaubt die Ersetzung nur dann, wenn der Zeuge in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann. Die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift lagen hier aber nicht vor. Selbst wenn, wie hier geschehen, ein Zeuge bereits vor der Hauptverhandlung ankündigt, umfassend von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, kann er geladen und vernommen werden. So muss er insbesondere Angaben zur Person machen und ist verpflichtet, auf für ihn oder seine Angehörigen "unverfängliche" Fragen zu antworten.

Urteil vom 27. April 2007 - 2 StR 490/06

Landgericht Köln - Urteil vom 13. Juli 2006 - (107 – 8/06/05)

Karlsruhe, den 27. April 2007

Gesetzestexte

§ 55 StPO

Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(...)

§ 250 StPO

Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden.

§ 251 StPO

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung einer Niederschrift über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm stammende schriftliche Erklärung enthält, ersetzt werden,

1. wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;

2. wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;

3. soweit die Niederschrift oder Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung der Niederschrift über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1. dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;

2. dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;

3. der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Vernehmungsniederschriften, Urkunden und andere als Beweismittel dienende Schriftstücke auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird die Niederschrift über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.

Pressestelle des Bundesgerichtshof
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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