Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 72/2007

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir möchten auf folgenden Termin hinweisen:

Verhandlungstermin: 3. Juli 2007

1 StR 3/07

Landgericht Waldshut-Tiengen – Entscheidung vom 10. Mai 2006 – 3 Ks 21 Js 1896/03

Mit Urteil der Schwurgerichtskammer beim Landgericht Waldshut-Tiengen vom 10. Mai 2006 wurde der heute 50-jährige Angeklagte wegen Totschlags in zwei Fällen zu lebenslanger Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt; die besondere Schwere der Schuld ist nicht festgestellt worden. Nach den Urteilsfeststellungen hatte der Angeklagte am 9. oder 10. Mai 2002 im gemeinsamen Wohnanwesen zunächst seine Ehefrau und dann seine Tochter getötet. Er fügte seiner Ehefrau mit einem schweren großflächigen Gegenstand Schädelfrakturen zu; hinsichtlich der Tötung der Tochter sind keine näheren Feststellungen getroffen worden. Die Leichen versteckte der Angeklagte anschließend in einem 30 Kilometer entfernt liegenden Waldstück. Erst mehr als drei Jahre später wurden die beiden Leichen in weitgehend skelettiertem Zustand entdeckt. Gegen das Urteil haben sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte Revision eingelegt.

Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft greift das Urteil mit der Sachrüge insoweit an, als der Angeklagte nicht wegen (Verdeckungs)Mordes an seiner Tochter verurteilt und nicht die besondere Schwere der Schuld festgestellt worden ist.

Der Angeklagte macht unter anderem mit einer Verfahrensrüge geltend, die Kammer habe bei der Urteilsfindung rechtsfehlerhaft die Angaben des Angeklagten bei zwei polizeilichen Vernehmungen verwertet, bei denen er zu Unrecht nicht als Beschuldigter belehrt worden sei. Dieser Rüge liegt folgendes Geschehen zugrunde: Der Angeklagte erstattete kurz nach der Tat eine Vermisstenanzeige bei der Polizei. Er wurde im folgenden halben Jahr von der Polizei fünfmal als Zeuge vernommen, noch bevor in dieser Sache ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat eingeleitet worden war. Die Strafverfolgungsbehörden hatten hiervon abgesehen, weil nach ihrer Beurteilung keine hinreichenden objektiven Anhaltspunkte für das Vorliegen von Tötungsdelikten gegeben waren. Die Revision beruft sich insbesondere darauf, dass aus den Vorhalten und Fragen des Vernehmungsbeamten bei der vierten, fast zehn Stunden dauernden Vernehmung hervorgehe, dass dieser dem Angeklagten als Beschuldigten begegnete. Der Vernehmungsbeamte sei – was er auch zum Ausdruck gebracht habe – vom Vorliegen von Tötungsdelikten und der wahrscheinlichen Täterschaft des Angeklagten überzeugt gewesen und habe seine Beurteilung darauf gestützt, dass die Ehefrau und die Tochter des Angeklagten schon mindestens viereinhalb Monate lang spurlos verschwunden gewesen seien, für den Vernehmungsbeamten keine andere plausible Alternative des Geschehens ersichtlich gewesen sei und er den Angaben des Angeklagten auch in den ersten Vernehmungen in wesentlichen Teilen keinen Glauben geschenkt habe.

In der Revisionshauptverhandlung wird sich der 1. Strafsenat insbesondere mit der Frage zu befassen haben, unter welchen Voraussetzungen die Pflicht zur Beschuldigtenbelehrung entsteht.

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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