Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 21/2006

Bundesgerichtshof erklärt Erhöhung der Pfändungsgrenzen

für Arbeitseinkommen zum 1.Juli 2005 für rechtswirksam

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass sich die Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen zum 1. Juli 2005, wie vom Bundesministerium der Justiz bekannt gemacht, erhöht haben. Damit wurde eine für viele Gläubiger und Schuldner in der täglichen Praxis der Zwangsvollstreckung bestehende erhebliche Rechtsunsicherheit beseitigt.

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung. Sie hat einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt, mit dem das Arbeitseinkommen des Schuldners gepfändet wurde; hinsichtlich des pfändbaren Betrags nimmt der Beschluss Bezug auf die Tabelle zu § 850c Abs.3 ZPO i. d. F. des 7. Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen. Diese Gesetzesreform hatte zum Ziel, eine Dynamisierung der Pfändungsgrenzen entsprechend der Entwicklung des steuerlichen Grundfreibetrags zu erreichen. Daher wurde in § 850c Abs. 2a ZPO bestimmt, dass sich die unpfändbaren Beträge jeweils zum 1. Juli eines jeden zweiten Jahres, erstmalig zum 1. Juli 2003, entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des steuerlichen Grundfreibetrags nach § 32a Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ändern. Dieser Grundfreibetrag war mit Wirkung vom 1. Januar 2004 erhöht worden; eine weitere Erhöhung zum 1. Januar 2005 ist hingegen nicht erfolgt. Das Bundesministerium der Justiz hat im Hinblick auf die Entwicklung des Grundfreibetrages im Gesamtzeitraum vom 1. Januar 2003 bis 1. Januar 2005 die entsprechende Erhöhung der Pfändungsfreibeträge zum 1. Juli 2005 bekannt gemacht.

Die Gläubigerin hat - ebenso wie Gläubiger in weiteren Zwangsvollstreckungsverfahren - die Auffassung vertreten, eine Erhöhung der Pfändungsgrenzen zum 1. Juli 2005 sei nicht wirksam eingetreten. Sie hat sich darauf berufen, dass sich der Grundfreibetrag nach § 32a Abs.1 Nr.1 EStG im Vorjahreszeitraum, auf den der Wortlaut des Gesetzes abstelle, nämlich vom 1. Januar 2004 bis 1. Januar 2005, nicht erhöht habe. Mit dieser Auffassung hatte die Gläubigerin weder in den Vorinstanzen noch vor dem Bundesgerichtshof Erfolg. Der VII. Zivilsenat hat zur Begründung der Zurückweisung der Rechtsbeschwerde folgendes ausgeführt:

Die Erhöhung der Pfändungsgrenzen zum 1. Juli 2005 ist rechtswirksam. Der in § 850c Abs. 2a ZPO so bezeichnete „Vorjahreszeitraum“ umfasst die Zeitspanne, die seit der letzten Feststellung der Pfändungsfreigrenzen verstrichen ist, somit nach der gesetzlichen Anpassungsregelung einen Zweijahreszeitraum. Zwar liegt es bei einer lediglich am Wortlaut orientierten Auslegung nahe, den Begriff „Vorjahreszeitraum“ nur auf zurückliegende zwölf Monate zu beziehen. Ein derartiges reines Wortverständnis verbietet sich aber unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs, in den die Vorschrift gestellt ist, und vor allem im Hinblick auf den Gesetzeszweck und die Entstehungsgeschichte der Norm.

Mit der Vorschrift des § 850c Abs. 2a ZPO soll eine Dynamisierung der unpfändbaren Beträge gewährleistet werden. Der Gesetzentwurf sah dabei zunächst vor, die Pfändungsgrenzen jeweils zum 1. Januar eines jeden Jahres entsprechend der im Verhältnis zum jeweiligen Vorjahreszeitpunkt erfolgten prozentualen Änderung des Grundfreibetrags nach § 32a Abs.1 Nr.1 EStG anzupassen. Jede Änderung dieses steuerlichen Grundfreibetrags sollte zu einer entsprechenden Änderung der Pfändungsgrenzen führen. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde in Abänderung von diesem Entwurf eine Anpassung alle zwei Jahre jeweils zum 1. Juli bestimmt. Aus dieser lediglich der Vereinfachung des organisatorischen Ablaufs dienenden Änderung des Anpassungszeitpunkts kann nicht gefolgert werden, dass der beabsichtigte Gleichklang der Entwicklung von steuerlichem Grundfreibetrag und Pfändungsgrenzen in der Sache angetastet werden sollte. Es ist nicht davon auszugehen, dass der - ersichtlich nur versehentlich - vom Entwurf in die endgültige Gesetzesfassung übernommene Begriff „Vorjahreszeitraum“ mit der ursprünglichen Bedeutung aufrechterhalten werden sollte; vielmehr soll der Zeitraum erfasst werden, der seit dem letzten vorgesehenen Anpassungszeitpunkt verstrichen ist.

Beschluss vom 24. Januar 2006 - VII ZB 93/05

LG Heilbronn - Beschluss vom 2. August 2005 - 1 T 306/05 Bm-

Karlsruhe, den 8. Februar 2006

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