Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 140/2005

Ruhen der deutschen Approbation hindert nicht vorübergehende ärztliche Tätigkeit in Deutschland aufgrund

ausländischer Zulassung

Das Landgericht Wuppertal hatte gegen den Angeklagten, einen deutschen Arzt und Zahnarzt, wegen zahlreicher Körperverletzungen sowie wegen mehrerer Verstöße gegen die Bundesärzteordnung und das Zahnheilkundegesetz eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verhängt. Gegenstand der Verurteilung war unter anderem, dass der Angeklagte unter Berufung auf seine in Belgien erlangte Zulassung wiederholt im Bundesgebiet praktizierte, nachdem das Ruhen seiner deutschen Approbation als Arzt und Zahnarzt "wegen Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit im Rahmen der Berufsausübung" angeordnet worden war.

Auf die Revision des Angeklagten hat der 3. Strafsenat entschieden, dass das Ruhen der deutschen Approbation keinen unmittelbaren Einfluss auf die nach europarechtlichen Regelungen – der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 50 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) – bestehende Berechtigung des Arztes zur vorübergehenden Dienstleistung in Deutschland hat. Sowohl die Bundesärzteordnung (BÄO) als auch das Zahnheilkundegesetz (ZHG) kennen verschiedene, selbständig nebeneinander stehende Legitimationstatbestände für die Ausübung der Heilkunde bzw. Zahnheilkunde in Deutschland. Die Approbation als Grundlage für eine zeitlich und fachlich uneingeschränkte Tätigkeit ist nur eine von ihnen. Das Berufsverbot bei zum Ruhen gebrachter Approbation gilt deshalb nur, soweit die Approbation für die konkrete Tätigkeit auch erforderlich ist.

Die vorübergehende Tätigkeit eines in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugelassenen Arztes bzw. Zahnarztes in Deutschland wird demgegenüber erst dann unzulässig, wenn ihm der Staat, der ihm die Zulassung erteilt hat, diese entzieht. Verstößt der Arzt bei seiner Tätigkeit in Deutschland gegen seine Pflichten, sehen die BÄO und das ZHG dementsprechend Meldepflichten der deutschen an die zuständigen ausländischen Behörden vor, damit diese die notwendigen Maßnahmen einleiten können. Damit unterscheidet sich die Rechtslage etwa von den Regelungen über die Anerkennung im EU-Ausland erteilter Fahrerlaubnisse, denn hier sehen die einschlägigen deutschen Vorschriften ausdrücklich vor, dass derjenige, dem in Deutschland beispielsweise die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden ist, im Inland Kraftfahrzeuge auch nicht aufgrund einer Fahrerlaubnis führen darf, die ihm ein anderer EU-Mitgliedstaat erteilt hat. Eine entsprechende Regelung gibt es im Berufsrecht der Ärzte nicht.

Der 3. Strafsenat hat deshalb die Verurteilung in den Fällen aufgehoben, in denen sie allein nach § 13 BÄO bzw. § 18 Nr. 2 ZHG ergangen ist. Hierfür hatte das Landgericht jeweils Geldstrafen festgesetzt. Der Senat hat aber angesichts der Schwere der verbleibenden Körperverletzungstaten des Angeklagten – unter ihnen mehrere schwer kunstfehlerhafte Eingriffe mit schwerwiegenden Folgen für die Patienten – die verbleibenden Einzelstrafen und die Gesamtstrafe für angemessen erachtet und die Revision deshalb im übrigen verworfen.

Damit ist die Verurteilung des Arztes zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe rechtskräftig.

Urteil vom 13. Oktober 2005 – 3 StR 385/04

Landgericht Wuppertal – Entscheidung vom 23.12.2003 - 22 KLs 20/02 II 430 Js 132/01

Karlsruhe, den 13. Oktober 2005

Wortlaut der Vorschriften

Bundesärzteordnung

§ 2 Bundesärzteordnung

(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes den ärztlichen Beruf ausüben will, bedarf der Approbation als Arzt.

(2) Eine vorübergehende oder eine auf bestimmte Tätigkeiten beschränkte Ausübung des ärztlichen Berufs im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist auch aufgrund einer Erlaubnis zulässig.

(3) Ärzte, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder eines Vertragsstaates sind, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, dürfen den ärztlichen Beruf im Geltungsbereich dieses Gesetzes ohne Approbation als Arzt oder ohne Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs ausüben, sofern sie vorübergehend als Erbringer von Dienstleistungen im Sinne des Artikels 50 des EG-Vertrages im Geltungsbereich dieses Gesetzes tätig werden. Sie unterliegen jedoch der Anzeigepflicht nach diesem Gesetz.

(4) Für die Ausübung des ärztlichen Berufs in Grenzgebieten durch im Inland nicht niedergelassene Ärzte gelten die hierfür abgeschlossenen zwischenstaatlichen Verträge.

(5) Ausübung des ärztlichen Berufs ist die Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung "Arzt" oder "Ärztin".

§ 6 Bundesärzteordnung

(1) Das Ruhen der Approbation kann angeordnet werden, wenn ….

(2) Die Anordnung ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

(3) Der Arzt, dessen Approbation ruht, darf den ärztlichen Beruf nicht ausüben.

(4) Die zuständige Behörde kann zulassen, dass die Praxis eines Arztes, dessen Approbation ruht, für einen von ihr zu bestimmenden Zeitraum durch einen anderen Arzt weitergeführt werden kann.

§ 10b Bundesärzteordnung

(1) Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, oder eines Vertragsstaates, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, die zur Ausübung des ärztlichen Berufs in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder einem Vertragsstaat, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, auf Grund einer nach deutschen Rechtsvorschriften abgeschlossenen ärztlichen Ausbildung oder auf Grund eines in der Anlage zu § 3 Abs. 1 Satz 2, in § 3 Abs. 1 Satz 6 oder in § 14b genannten ärztlichen Diploms, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises berechtigt sind, dürfen als Dienstleistungserbringer im Sinne des Artikels 50 des EG-Vertrages vorübergehend den ärztlichen Beruf im Geltungsbereich dieses Gesetzes ausüben.

(2) Ein Dienstleistungserbringer im Sinne des Absatzes 1 hat das Erbringen der Dienstleistung der zuständigen Behörde vorher anzuzeigen. Sofern eine vorherige Anzeige wegen der Dringlichkeit des Tätigwerdens nicht möglich ist, hat die Anzeige unverzüglich nach Erbringen der Dienstleistung zu erfolgen. Bei der Anzeige sind Bescheinigungen des Herkunftsstaates darüber vorzulegen, dass der Dienstleistungserbringer

1. den ärztlichen Beruf im Herkunftsstaat rechtmäßig ausübt und

2. ein ärztliches Diplom, Prüfungszeugnis oder einen sonstigen ärztlichen

Befähigungsnachweis im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 besitzt.

Die Bescheinigungen dürfen bei ihrer Vorlage nicht älter als zwölf Monate sein.

(3) Der Dienstleistungserbringer hat beim Erbringen der Dienstleistung im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Rechte und Pflichten eines Arztes. Verstößt ein Dienstleistungserbringer gegen diese Pflichten, so hat die zuständige Behörde unverzüglich die zuständige Behörde des Herkunftsstaates dieses Dienstleistungserbringers hierüber zu unterrichten.

(4) Einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, oder eines Vertragsstaates, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes den ärztlichen Beruf auf Grund einer Approbation als Arzt oder einer Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs ausübt, sind auf Antrag für Zwecke der Dienstleistungserbringung in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum Bescheinigungen darüber auszustellen, dass er

1. den ärztlichen Beruf im Geltungsbereich dieses Gesetzes rechtmäßig ausübt

und

2. den erforderlichen Ausbildungsnachweis besitzt.

§ 13 Bundesärzteordnung

Wer die Heilkunde ausübt, solange durch vollziehbare Verfügung das Ruhen der Approbation angeordnet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Zahnheillkundegesetz

§ 1 ZHG

(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Zahnheilkunde dauernd ausüben will, bedarf einer Approbation als Zahnarzt nach Maßgabe dieses Gesetzes. Die Approbation berechtigt zur Führung der Bezeichnung als "Zahnarzt" oder "Zahnärztin". Die vorübergehende Ausübung der Zahnheilkunde bedarf einer jederzeit widerruflichen Erlaubnis.

(2) Zahnärzte, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder eines Vertragsstaates sind, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, dürfen den zahnärztlichen Beruf im Geltungsbereich dieses Gesetzes ohne Approbation als Zahnarzt oder ohne Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung der Zahnheilkunde ausüben, sofern sie vorübergehend als Erbringer von Dienstleistungen im Sinne des Artikels 50 des EG-Vertrages im Geltungsbereich dieses Gesetzes tätig werden. Sie unterliegen jedoch der Anzeigepflicht nach diesem Gesetz.

(3) …

§ 5 ZHG

(1) Das Ruhen der Approbation kann angeordnet werden, wenn …

(2) Die Anordnung ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

(3) Der Zahnarzt, dessen Approbation ruht, darf den zahnärztlichen Beruf nicht ausüben.

§ 13a ZHG

(1) Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder eines Vertragsstaates, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, die zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder einem Vertragsstaat, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, auf Grund einer nach deutschen Rechtsvorschriften abgeschlossenen zahnärztlichen Ausbildung oder auf Grund eines in der Anlage zu § 2 Abs. 1 Satz 2, in § 2 Abs. 1 Satz 6 oder in § 20a genannten zahnärztlichen Diploms, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises berechtigt sind, dürfen als Dienstleistungserbringer im Sinne des Artikels 50 des EG-Vertrages vorübergehend den zahnärztlichen Beruf im Geltungsbereich dieses Gesetzes ausüben.

(2) Ein Dienstleistungserbringer im Sinne des Absatzes 1 hat das Erbringen der Dienstleistung der zuständigen Behörde vorher anzuzeigen. Sofern eine vorherige Anzeige wegen der Dringlichkeit des Tätigwerdens nicht möglich ist, hat die Anzeige unverzüglich nach Erbringen der Dienstleistung zu erfolgen. Bei der Anzeige sind Bescheinigungen des Herkunftsstaates darüber vorzulegen, dass der Dienstleistungserbringer

1. den zahnärztlichen Beruf im Herkunftsstaat rechtmäßig ausübt und

2. ein zahnärztliches Diplom, Prüfungszeugnis oder einen sonstigen

zahnärztlichen Befähigungsnachweis im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 besitzt.

Die Bescheinigungen dürfen bei ihrer Vorlage nicht älter als zwölf Monate sein.

(3) Der Dienstleistungserbringer hat beim Erbringen der Dienstleistung im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Rechte und Pflichten eines Zahnarztes. Verstößt ein Dienstleistungserbringer gegen diese Pflichten, so hat die zuständige Behörde unverzüglich die zuständige Behörde des Herkunftsstaates dieses Dienstleistungserbringers hierüber zu unterrichten.

(4) Einem Staatsangehörigen eines der Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder eines Vertragsstaates, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes den zahnärztlichen Beruf auf Grund einer Approbation als Zahnarzt oder einer Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung der Zahnheilkunde ausübt, sind auf Antrag für Zwecke der Dienstleistungserbringung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder einem Vertragsstaat, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, Bescheinigungen darüber auszustellen, dass er

1. den zahnärztlichen Beruf im Geltungsbereich dieses Gesetzes rechtmäßig

ausübt und

2. den erforderlichen Ausbildungsnachweis besitzt.

§ 18 ZHG

Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft,

1. wer die Zahnheilkunde ausübt, ohne eine Approbation oder Erlaubnis als

Zahnarzt zu besitzen oder nach § 1 Abs. 2, § 14 oder § 19 zur Ausübung der

Zahnheilkunde berechtigt zu sein,

2. wer die Zahnheilkunde ausübt, solange durch vollziehbare Verfügung das

Ruhen der Approbation angeordnet ist.

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