Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 86/2004

Angestellter der Deutsche Bahn AG ist kein Amtsträger

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat sowohl die Revision der Staatsanwaltschaft als auch die Revision des Angeklagten gegen ein Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main verworfen, das den Angeklagten wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2 StGB) zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen von je 500 € verurteilt hatte.

Nach den Feststellungen des Landgerichts zahlte der in leitender Stellung eines Unternehmens tätige Angeklagte dem bereits rechtskräftig verurteilten Mitangeklagten L., der bei der Deutschen Bahn AG die Position des Hauptabteilungsleiters für den Bereich Einkauf, Logistik, Oberbaumaterial innehatte, insgesamt 240.00 DM unter anderem dafür, daß dieser versprach, sich bei den zuständigen Entscheidungsträgern für die bahninterne Zulassung der Produkte des Unternehmens einzusetzen. Diese bahninterne Zulassung ist Voraussetzung für die Bewerbung um einen Auftrag im Vergabeverfahren. L., ein Beamter der früheren Bundesbahn, hatte sich im Zuge der Bahnreform 1994 dienstlich beurlauben lassen, um einen Anstellungsvertrag mit der neu gegründeten Deutsche Bahn AG zu schließen. Diese gesetzliche Möglichkeit war vor allem für Führungskräfte der Deutschen Bundesbahn geschaffen worden, um ihnen den Abschluß höherdotierter Anstellungsverträge zu gestatten, während die große Mehrzahl der Bundesbahnbeamten der Deutschen Bahn AG zur Wahrnehmung ihrer beamtenrechtlichen Dienstpflichten zur Dienstleistung zugewiesen worden ist.

Gegenstand der Revisionshauptverhandlung war insbesondere die Frage, ob ein beurlaubter Beamter der früheren Bundesbahn, der jetzt als Angestellter bei der Deutsche Bahn AG beschäftigt ist, als Amtsträger anzusehen ist. Der Senat hat die Rechtsauffassung des Landgerichts bestätigt, daß L. kein Amtsträger war.

Der zur Wahrnehmung einer Tätigkeit bei der Deutsche Bahn AG beurlaubte Beamte L. war kein Beamter im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) StGB. Zwar bestand sein Beamtenstatus fort, er war jedoch durch seine Beurlaubung von seiner Dienstlei-stungspflicht als Beamter entbunden. Als Angestellter der Deutschen Bahn AG übte er - anders als die Beamten, die der Deutschen Bahn AG zur Dienstleistung zugewiesen worden waren - keine ihm als dienstliche Aufgabe übertragene Tätigkeit aus, sondern handelte allein in Erfüllung seines privatrechtlichen Anstellungsvertrages.

Auch eine Amtsträgereigenschaft nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB hat der Senat verneint. Amtsträger nach dieser Vorschrift ist, wer sonst dazu bestellt ist, bei oder im Auftrag einer Behörde oder sonstigen Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Unternehmen der öffentlichen Hand, die als juristische Personen des Privatrechts organisiert sind, als "sonstige Stelle" den Behörden gleichzustellen sein, wenn bestimmte Merkmale eine Gleichstellung rechtfertigen. Eine solche ist dann geboten, wenn das Unternehmen öffentliche Aufgaben wahrnimmt und dabei derart staatlicher Steuerung unterliegt, daß es bei einer Gesamtbetrachtung als verlängerter Arm des Staates erscheint.

Die Deutsche Bahn AG nimmt zwar mit der Erbringung von Eisenbahnverkehrs-dienstleistungen und der Bereitstellung der Schieneninfrastruktur eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge wahr. Es besteht aber keine derartige staatliche Steuerung durch den Bund als Alleineigentümer, daß die Gleichstellung mit einer Behörde gerechtfertigt wäre. Abgesehen davon, daß der Bund in Erfüllung seines grundgesetzlich festgeschriebenen Gewährleistungsauftrags die Planung und Finanzierung für den Neu- und Ausbau von Strecken beeinflußt, erfolgt keine konkrete Einwirkung auf die Geschäftstätigkeit der Deutsche Bahn AG. Weder öffentlich-rechtliche noch aktienrechtliche Instrumentarien erlauben eine unmittelbare Einflußnahme auf die laufenden Geschäfte.

Eine Verurteilung nach § 334 StGB, die die Bestechung eines Amtsträgers voraussetzt, schied danach aus. Hingegen hat sich der Angeklagte nach § 299 Abs. 2 StGB strafbar gemacht. Eine im Rahmen des Zulassungsverfahrens mit unlauteren Mitteln erstrebte oder erfolgte Förderung der Produkte stellt aufgrund des engen Zusammenhangs des Zulassungsverfahrens mit der Auftragsvergabe eine Bevorzugung in einer bereits bestehenden Wettbewerbssituation dar, die von dem weit gefaßten Schutzzweck der Vorschrift umfaßt ist.

§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB hat folgenden Wortlaut:

Im Sinne dieses Gesetzes ist

….

2. Amtsträger:

wer nach deutschem Recht

  1. Beamter oder Richter ist,
  2. ……
  3. sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen;

§ 299 Abs. 2 StGB hat folgenden Wortlaut:

Ebenso wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einem Angestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen Betriebs einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er ihn oder einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen in unlauterer Weise bevorzuge.

Urteil vom 16. Juli 2004 - 2 StR 486/03

Karlsruhe, den 16. Juli 2004

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