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Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Monat Juni 2004 » Pressemitteilung Nr. 70/04 vom 16.6.2004

 

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Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

 

Nr. 70/2004

Presserat rügt Bild-Zeitung

Beschwerde des Bundesgerichtshofs erfolgreich

Eine Beschwerdekammer des Beschwerdeausschusses des Deutschen Presserats hat am 15. Juni 2004 einer Beschwerde des Präsidenten des Bundesgerichtshofs gegen die Bild-Zeitung stattgegeben und gegen die Zeitung eine öffentliche Rüge (§ 12 Beschwerdeordnung) ausgesprochen. Der Ausschuß hat einen Verstoß gegen die Ziffern 1 und 9 des Pressekodex festgestellt. Ziffer 1 erhebt die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit zum obersten Gebot der Presse. Nach Ziffer 9 widerspricht es journalistischem Anstand, unbegründete Behauptungen und Beschuldigungen, insbesondere ehrverletzender Natur, zu veröffentlichen.

Gegenstand der Beschwerde des Präsidenten des Bundesgerichtshofs war eine Serie von groß aufgemachten Artikeln im Dezember 2003 und Januar 2004, in der unter der Balkenüberschrift "Saustall Justiz" die Justiz und speziell Richter des Bundesgerichtshofs beschuldigt wurden, durch eine "skandalöse Entscheidung" einen mehrfach einschlägig vorbestraften Sexualtäter in Kenntnis seiner Gefährlichkeit frei gelassen zu haben und damit verantwortlich zu sein für eine erneute Vergewaltigung, die der Betreffende unmittelbar nach seiner Haftentlassung begangen haben soll. Die Berichterstattung enthielt persönliche Angriffe gegen die Richter ("Skandalrichter", "Schämen Sie sich Herr Richter", "Wer schützt uns künftig vor solchen milden Richtern") und stellte sie an den Pranger. Auf abgebildeten Fotos wurden sie, wie dies sonst vor allem bei Straftätern zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte geschieht, mit Balken über der Augenpartie gezeigt. Nicht berichtet wurde, daß die kritisierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus zwingenden rechtlichen Gründen so ergehen mußte. Es ging darum, daß eine vom Landgericht angeordnete Sicherungsverwahrung keinen Bestand haben konnte, weil dies bei der gegebenen Fallkonstellation eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren vorausgesetzt hätte, die aber nach den eigenen Feststellungen des Landgerichts schlechterdings nicht verhängt werden konnte.

Ähnlich verhielt es sich mit einer Berichterstattung über eine weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die als "Skandal-Beschluß" bezeichnet wurde ("Saustall Justiz! Hört das denn nie auf?"). Vorgeworfen wurde den Richtern, daß sie ein Urteil gegen einen "Serien-Vergewaltiger" aufgehoben hätten, weil es "zu hart" gewesen sei. Auch hier beruhte die (teilweise) Aufhebung und Zurückverweisung auf zwingenden rechtlichen Gründen, weil die Feststellungen des Landgerichts zu einem bei der Tat benutzten Gegenstand als "gefährliches Werkzeug" im Sinne des Straftatbestandes unvollständig und in sich widersprüchlich waren. Ein solches Urteil unterliegt notwendigerweise der Aufhebung, nicht weil es "zu hart" gewesen wäre, sondern weil die Feststellungen das Urteil nicht trugen.

Der Präsident des Bundesgerichtshofes hatte mit seiner Beschwerde insbesondere die Wahrheitswidrigkeit und den ehrverletzenden Charakter der Berichterstattung gerügt. Dem Einwand, die Berichterstattung beschränke sich auf eine – zulässige – kritische Bewertung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, hielt er entgegen, in den konkreten Fällen gehe es nicht um "vertretbare" Rechtsmeinungen, die unterschiedlicher öffentlicher Bewertung zugänglich seien, sondern um eine – allein - richtige Anwendung des Gesetzes. Zu einer wahrheitsgemäßen Berichterstattung gehöre, daß dies deutlich werde. Rechtlich zutreffende, von Verfassungs wegen gebotene Entscheidungen könnten daher – nicht anders als Tatsachen – nicht unter Verschweigen dieses Umstands als falsch, gesellschaftsschädlich und völlig unverständlich dargestellt werden und mit Attributen wie "Saustall Justiz" u. ähnl. bedacht werden.

Der Beschwerdeausschuß des Presserats hat mit seiner Entscheidung, der Bild-Zeitung eine öffentliche Rüge auszusprechen, die schärfste Form der nach der Beschwerdeordnung möglichen Sanktionen gewählt. Eine ausführliche Begründung der Entscheidung liegt noch nicht vor.

Der Präsident des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch erklärte:

"Selbstverständlich haben sich auch die Gerichte der Kontrolle durch die Medien und der kritischen Berichterstattung zu stellen. Ich habe den Presserat in erster Linie angerufen, um die Grenzen klären zu lassen, die der Pressekodex durch das Gebot, die Öffentlichkeit wahrhaftig zu unterrichten, einer Berichterstattung über die gerichtliche Beurteilung reiner Rechtsfragen setzt. Es handelt sich hierbei um eine Grundsatzfrage des Presserechts und der Gerichtsberichterstattung.

Ich begrüße die Entscheidung des Deutschen Presserates außerordentlich im Interesse der Richterschaft, der Justiz als Institution und insbesondere der auf faire Berichterstattung angewiesenen Öffentlichkeit."

 

Karlsruhe, den 16. Juni 2004

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-5013

Telefax (0721) 159-5501

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