Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 118/2004

Anfechtungsklage gegen die Entlastung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der ThyssenKrupp AG

Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hatte in dieser Sache über Fragen des Informationsrechts der Aktionäre (§ 131 AktG) sowie über die Voraussetzungen für die Anfechtbarkeit eines unter Verletzung dieses Rechts gefaßten Hauptversammlungsbeschlusses zu entscheiden.

Die (an dem Revisionsverfahren nur noch beteiligte) Klägerin zu 2 ist Aktionärin der beklagten Aktiengesellschaft, die aus einer Fusion der Thyssen AG und der F. Krupp AG Hoesch-Krupp hervorgegangen ist. Mit ihrer aktienrechtlichen Anfechtungsklage wendet sich die Klägerin gegen Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 24. Mai 2000, durch welche den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern Entlastung für das erste Geschäftsjahr 1998/99 erteilt, d.h. ihre Verwaltungstätigkeit gebilligt und ihnen das Vertrauen für die Zukunft ausgesprochen worden ist. Die Klägerin macht demgegenüber geltend, die größtenteils aus entsprechenden Funktionen bei den beiden fusionierten Gesellschaften übernommenen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten hätten im Zusammenhang mit der Verschmelzung ihre Sorgfaltspflichten verletzt, insbesondere die Krupp AG zu Lasten der Aktionäre der Thyssen AG "maßlos überbewertet" und dies mit unrealistischen Prognosen gerechtfertigt. In der Hauptversammlung seien auf die Aufklärung dieses Sachverhalts zielende Auskunftsersuchen pflichtwidrig nicht beantwortet worden. Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos.

Nach dem Gesetz (§ 131 Abs. 1 Satz 1 AktG) kann jeder Aktionär in der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen, soweit dies zur sachgerechten Beurteilung des Beschlußgegenstandes (hier also der Entlastung der Organmitglieder) erforderlich ist. Werde einem Aktionär  so führt der Senat aus  eine Auskunft verweigert, die aus der Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs in der Fragesituation zur Beurteilung des Beschlußgegenstandes erforderlich sei, so liege darin zugleich ein Verstoß gegen das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht des Aktionärs bei der Beschlußfassung. Dieser Verstoß rechtfertige die Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses, ohne daß es darauf ankomme, ob der tatsäch-liche Inhalt der in der Hauptversammlung verweigerten Auskunft die Aktionärsmehrheit oder einen objektiv urteilenden Aktionär von der Zustimmung zu der Beschlußvorlage abgehalten hätte.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei die Erforderlichkeit der von der Klägerin in der Hauptversammlung begehrten Auskünfte aus der maßgeblichen Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs nicht deshalb zu verneinen, weil die jetzigen Organe (Vorstand und Aufsichtsrat) der Beklagten mit der Verschmelzung nichts zu tun hätten, sondern erst danach konstituiert worden seien. Das Berufungsgericht verkenne, daß die Entlastung sich nicht auf die "Organe" als abstrakte Institution, sondern auf die Organmitglieder beziehe und deren etwaige Fehlleistungen in ihren früheren Funktionen bei den beiden fusionierten Rechtsträgern für die Entscheidung eines objektiv urteilenden Aktionärs über ihre Entlastung unter dem Aspekt des darin liegenden Vertrauensvotums durchaus eine Rolle spielen könnten.

Da das Berufungsgericht von unzutreffenden rechtlichen Prämissen ausgegangen ist und die Sache noch einer tatrichterlichen Gesamtwürdigung der von der Klägerin im einzelnen verlangten Auskünfte bedarf, hat der Senat die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Urteil vom 18. Oktober 2004 - II ZR 250/02

Karlsruhe, den 20. Oktober 2004

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