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Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Jahr 2004 » Pressemitteilung Nr. 131/04 vom 10.11.2004

Siehe auch:  Urteil des VIII. Zivilsenats vom 10.11.2004 - VIII ZR 186/03 -, Urteil des VIII. Zivilsenats vom 10.11.2004 - VIII ZR 220/03 -, Urteil des VIII. Zivilsenats vom 10.11.2004 - VIII ZR 222/03 -, Urteil des VIII. Zivilsenats vom 10.11.2004 - VIII ZR 219/03 -, Urteil des VIII. Zivilsenats vom 10.11.2004 - VIII ZR 221/03 -

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Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 131/2004

Bundesgerichtshof entscheidet über Schadensersatzansprüche

infolge des FlowTex-Skandals

Der u. a. für das Recht des Forderungskaufs zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. September 2004 über Schadensersatzansprüche entschieden, die von sechs durch betrügerische Manipulationen der damals in Ettlingen ansässigen FlowTex Technologie GmbH & Co. KG (FlowTex) geschädigten Sparkassen gegen die Leasinggesellschaft der Sparkassen (LGS) erhoben werden.

FlowTex vermietete gekaufte und geleaste Horizontalbohrsysteme, mit deren Hilfe Rohre und Leitungen ohne Aufgraben unter der Erdoberfläche verlegt werden können, an sogenannte Servicegesellschaften, die das operative Geschäft betrieben. Als Lieferantin der von einem deutschen, später von einem italienischen Hersteller bezogenen Geräte trat die „KSK Guided Microtunneling Technologies Spezial-Tiefbaugeräte GmbH & Co. KG“ (KSK) in Erscheinung. Im Laufe der Zeit gingen die Geschäftsführer Schmider und Dr. Kleiser von FlowTex und die Geschäftsführerin der KSK in betrügerischem Zusammenwirken dazu über, dieselben Bohrsysteme unter Auswechslung der Identifikationsnummern, die an den Geräten angebracht waren, und unter Verwendung gefälschter Dokumente mehrfach an Leasinggesellschaften zu verkaufen, mit denen FlowTex jeweils entsprechende Leasingverträge abschloß. Die von den Leasinggesellschaften an KSK gezahlten Kaufpreise wurden an FlowTex weitergeleitet und von FlowTex zur Bezahlung der Leasingraten verwendet. Auf diese Weise schloß FlowTex mehr als 3.000 Leasingverträge über Horizontalbohrsysteme ab, von denen nur etwa 10 % existierten.

Die LGS schloß in den Jahren 1998 und 1999 mit FlowTex mehrere Leasingverträge über insgesamt 159 Horizontalbohrsysteme mit einem Anschaffungswert von insgesamt ca. 177 Millionen DM ab, die von den sechs Sparkassen dergestalt refinanziert wurden, daß die Sparkassen die Forderungen der LGS gegen FlowTex aus den Leasingverträgen zum Barwert ankauften. Im Februar 2000 flog das FlowTex-Betrugssystem auf. Die Geschäftsführer von FlowTex und KSK wurden zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Über das Vermögen von FlowTex wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die LGS kündigte die Leasingverträge, die bis dahin von FlowTex bedient worden waren, wegen wirtschaftlicher Verschlechterung fristlos.

Die Sparkassen stehen auf dem Standpunkt, die LGS müsse für den Schaden aufkommen, der durch den Ausfall der Leasingforderungen entstanden ist. Die LGS macht demgegenüber geltend, sie habe nur für den rechtlichen Bestand der verkauften Leasingforderungen einzustehen, der weder durch das betrügerische Vorgehen von FlowTex noch durch den wirtschaftlichen Zusammenbruch der FlowTex-Gruppe in Frage gestellt werde. Streit herrscht ferner darüber, ob die LGS den Sparkassen, wie vertraglich geschuldet, ungeachtet der betrügerischen Manipulationen von FlowTex das Sicherungseigentum an den verleasten Bohrsystemen verschafft hat und ob der LGS Sorgfaltspflichtverletzungen im Umgang mit FlowTex vorzuwerfen sind.

Das Landgericht hat den Klagen der Sparkassen, mit denen jeweils Teilbeträge des Gesamtschadens geltend gemacht werden, stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der LGS abgewiesen. Die vom Oberlandesgericht zugelassenen Revisionen der Sparkassen führten in fünf Fällen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht, im sechsten Fall zur Zurückweisung der Revision.

Der Bundesgerichtshof geht in Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht davon aus, daß die LGS nur für den rechtlichen Bestand der an die Sparkassen verkauften Leasingforderungen einstehen muß und daß eine Haftung der LGS unter diesem Gesichtpunkt ausscheidet, weil die Forderungen aus den mit FlowTex geschlossenen Leasingverträgen trotz der betrügerischen Manipulationen von FlowTex rechtlich existent und allein wegen der Zahlungsunfähigkeit der Leasingnehmerin nicht durchsetzbar sind. Der Argumentation der Sparkassen, für den Schaden, der durch betrügerisches Verhalten des Leasingnehmers entsteht, müsse die Leasinggesellschaft deswegen Ersatz leisten, weil sie dem Leasingnehmer als dessen Vertragspartner näher stehe als das refinanzierende Kreditinstitut, ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt. Auch für Schadensersatzansprüche der sechs Sparkassen gegen die LGS wegen schuldhafter Verletzung von Sorgfaltspflichten im Umgang mit FlowTex besteht nach seiner Auffassung keine Grundlage.

In fünf der sechs Fälle ist aber nicht auszuschließen, daß die betreffende Sparkasse wirksam von dem Forderungskauf zurückgetreten ist, und zwar deswegen, weil möglicherweise die von der LGS vertraglich geschuldete Verschaffung des Sicherungseigentums an den Bohrsystemen wegen des betrügerischen Zusammenwirkens von KSK und FlowTex gescheitert ist. Das hängt zum einen davon ab, ob KSK bei der Beschaffung der Bohrsysteme eine Rechtsposition erlangt hat, aufgrund deren zugunsten der LGS fortbestehendes Eigentum von KSK zu vermuten wäre (§ 1006 BGB); diese Frage ist in des Tatsacheninstanzen ungeklärt geblieben. Zum anderen ist der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Abschluß der Leasingverträge zwischen der LGS und FlowTex und dem von FlowTex regelmäßig praktizierten heimlichen Austausch der an den Leasinggegenständen angebrachten Identifikationsnummern entscheidend. Eine abschließende Beurteilung dieser Frage war im Revisionsverfahren nur für einen der sechs Fälle möglich, und zwar dahin, daß dort die Sparkasse das Sicherungseigentum erlangt hat. In den fünf weiteren Fällen bedarf es dazu weiterer Tatsachenfeststellungen durch das Oberlandesgericht.

Urteile vom 10. November 2004 – VIII ZR 186/03

VIII ZR 219/03

VIII ZR 220/03

VIII ZR 221/03

VIII ZR 222/03

VIII ZR 223/03

Karlsruhe, den 10. November 2004

Pressestelle des Bundesgerichtshof
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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