Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 7/2004

Zum Wert der nicht genutzten Reiseleistung in einer

Reiseabbruchversicherung

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung aus einer Reiseabbruchversicherung in Anspruch. Er hatte für sich und seine Ehefrau über einen Reiseveranstalter eine Flugpauschalreise (Naturerlebnisreise) nach Namibia gebucht. Geplante Reisedauer: 15. September bis 1. Oktober 2001, Preis pro Person: rund 2.800 €. Weiter hatte er bei der Beklagten ein Versicherungspaket abgeschlossen, in dem neben einer Reiserücktrittskostenversicherung unter anderem eine - "Feriengarantie" genannte - Reiseabbruchversicherung enthalten war. Mit dieser gewährte die Beklagte nach ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen Versicherungsschutz für den Fall des Reiseabbruchs aus bestimmten Gründen (z. B. wegen unerwarteter schwerer Erkrankung eines Reiseteilnehmers) mit folgenden Leistungen: Erstattung der zusätzlichen Rückreisekosten und des Wertes der nicht genutzten Reiseleistung (sowie für die erkrankte Person wahlweise ein Reisegutschein über den vollen Reisepreis der abgebrochenen Reise).

Während der Reise erkrankte die Ehefrau des Klägers schwer. Das zwang das Ehepaar zum Reiseabbruch, der Rückflug wurde vorverlegt.

Während seine Ehefrau den Gutschein über den vollen Reisepreis wählte, begehrte der Kläger Erstattung des Wertes der nicht genutzten Reiseleistung. Die Beklagte erstattete jedoch rund 700 € weniger als von ihm gefordert mit der Begründung, die Flüge seien genutzt worden, so daß die Flugkosten bei der tagesanteiligen Berechnung außer acht zu bleiben hätten.

Das Amtsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Das Landgericht hat ihr stattgegeben, weil für die Berechnung des Wertes der nicht genutzten Reiseleistung bei einer Pauschalreise der Gesamtpreis zugrundezulegen sei.

Der Bundesgerichtshof hat die dagegen eingelegte Revision der Beklagten zurückgewiesen. Für den Versicherungsnehmer, der eine Reiseabbruchversicherung für eine Pauschalreise abgeschlossen hat, ist es schon nach dem Wortlaut der Allgemeinen Versicherungsbedingungen naheliegend, daß für den Wert der nicht genutzten Reiseleistung auch der Pauschalpreis maßgeblich ist. Versprochen wird nicht die Erstattung einzelner Aufwendungen, sondern die des Wertes der nicht genutzten Reiseleistung, nicht einzelner Reiseteilleistungen. Eine Pauschalreise mag sich zwar aus Teilleistungen zusammensetzen, ihr besonderes Merkmal ist aber, daß diese vom Veranstalter zu einer Gesamtheit, zu einer einzigen Reiseleistung, zusammengefaßt werden. In diesem Verständnis kann sich der Versicherungsnehmer auch dadurch bestätigt sehen, daß dem Versicherten, in dessen Person sich ein Abbruchgrund verwirklicht, wahlweise ein Reisegutschein über den vollen Reisepreis versprochen wird, selbst wenn dieser etwa Flugleistungen in Anspruch genommen hat.

Auch der dem Versicherungsnehmer erkennbare Zweck der Reiseabbruchversicherung spricht für dieses Verständnis. Sie soll den Versicherungsnehmer gegen den Schaden in Gestalt nutzloser Aufwendungen absichern, der ihm entsteht, wenn er die Reise abbrechen muß. Bei einer Flugpauschalreise ist der Flug untrennbarer Bestandteil der Reise und damit auch des Reisepreises. Muß diese Reise abgebrochen werden, stellen die in den Pauschalpreis eingerechneten Flugkosten ganz oder teilweise nutzlose Aufwendungen dar. Das wird besonders deutlich, wenn der Versicherungsfall gleich nach der Ankunft am Urlaubsort eintritt und der Versicherungsnehmer alsbald zurückfliegen muß.

Urteil vom 28. Januar 2004 – IV ZR 65/03

Karlsruhe, den 28. Januar 2004

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