Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 101/2003

Richter am Bundesgerichtshof

Hans-Peter Kirchhof im Ruhestand

Am 31. August 2003 wird der Richter am Bundesgerichtshof Hans-Peter Kirchhof in den Ruhestand treten.

Herr Kirchhof wurde am 28. August 1938 in Kalkutta (Indien) geboren. Er ist verheiratet und hat zwei inzwischen erwachsene Kinder. Seine berufliche Laufbahn begann Herr Kirchhof nach Abschluß seiner juristischen Ausbildung im Jahre 1967 im höheren Justizdienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Er war zunächst als Gerichtsassessor beim Landgericht Wuppertal und bei dem dortigen Amtsgericht tätig. Im September 1970 wurde er zum Landgerichtsrat bei dem Landgericht Wuppertal ernannt. Im Anschluß an eine Abordnung an das Oberlandesgericht Düsseldorf folgte dort im September 1975 seine Ernennung zum Richter am Oberlandesgericht.

Zum Richter am Bundesgerichtshof ist Herr Kirchhof am 3. Oktober 1989 ernannt worden. Er gehört seither dem insbesondere für das Insolvenz- und das Zwangsvoll-streckungsrecht sowie für Schadensersatzansprüche gegen Rechtsanwälte und Steuerberater zuständigen IX. Zivilsenat an, seit Mai 2002 als dessen stellvertretender Vorsitzender. Als Mitglied dieses Senats gehörte er in den Jahren 1992 bis 2000 dem Großen Senat für Zivilsachen an. In diese Zeit fällt die grundlegende Entscheidung des Großen Senats zur Freigabe formularmäßig bestellter Globalsicherungen im Falle der Übersicherung (BGHZ 137, 212), bei der Herr Kirchhof Mitberichterstatter war. Seit Januar 2001 vertritt er den IX. Zivilsenat im Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes.

Herr Kirchhof hat auf allen Rechtsgebieten, für die der IX. Zivilsenat zuständig ist und während seiner Zugehörigkeit zu dem Senat zuständig war, als Berichterstatter eine Vielzahl grundlegender, richtungweisender Entscheidungen vorbereitet und maßgeblich geprägt. Zu erwähnen sind etwa im Bürgschaftsrecht ein Urteil zur Sittenwidrigkeit einer Lebensgefährten-Bürgschaft (BGH WM 2000, 410) sowie verschiedene Entscheidungen zum Haftungsrecht der Rechtsanwälte, der Notare und der Steuerberater, z.B. zur Beweislast für Pflichtverletzungen des Steuerberaters (BGHZ 115, 382), zum Verlust von Gesellschaftsanteilen (Notarhaftung; BGHZ 150, 319) oder zur Pfändbarkeit der Gebührenansprüche (BGHZ 141, 173).

Der Schwerpunkt der Berichterstattertätigkeit Herrn Kirchhofs lag auf den Gebieten des nationalen und internationalen Insolvenzrechts und der Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile. Hier hat er die Rechtsentwicklung durch wegweisende Grundsatzentscheidungen maßgeblich mit geprägt. Hervorzuheben sind die Entscheidungen zur Vollstreckbarerkärung eines US-Schadensersatzurteils - punitive damages (BGHZ 118, 312), zur Anfechtung nach der Gesamtvollstreckungsordnung (BGHZ 129, 236), zum Verstoß eines französischen Urteils gegen den deutschen und gemeinschaftsrechtlichen ordre public (BGHZ 144, 390), zur Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters (BGHZ 146, 165) und zu Altlasten in der Insolvenz (BGHZ 150, 305).

Dem Insolvenzrecht galt und gilt auch Herrn Kirchhofs wissenschaftliches Interesse. In zahlreichen Beiträgen in Fachzeitschriften und Festschriften hat er sich mit dem Recht der Konkursordnung, vor allem aber mit der neuen Insolvenzordnung auseinandergesetzt, zu der er auch in seiner Kommentierung der §§ 1 bis 34 InsO und des Art. 102 EGInsO im Heidelberg Kommentar zur Insolvenzordnung grundlegend Stellung bezogen hat, ebenso zum Anfechtungsrecht in dem von ihm mit herausgegebenen Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung. Sein in zweiter Auflage erschienener "Leitfaden für Insolvenzrecht" trägt dazu bei, die Grundstruktur des Gesetzes auch Nichtspezialisten in einfacher, klarer Weise verständlich zu machen. Die Urheberrechte an diesem Werk hat er unentgeltlich der Deutschen Stiftung für internationale Zusammenarbeit e.V. zur Übersetzung in die ukrainische Sprache überlassen mit dem Ziel, Juristen der Ukraine im Insolvenzrecht zu schulen.

Herr Kirchhof hat sich in vielfältiger Weise für den internationalen Gedankenaustausch eingesetzt. Daß die von ihm gemeinsam mit Lord Goff of Chieveley, dem damaligen Senior Law Lord des britischen House of Lords, vorbereiteten ersten Konferenzen hoher deutscher und englischer Richter zu einer dauerhaften Institution geworden sind, ist wesentlich auch auf seinen Einsatz zurückzuführen. Die Pflege der Beziehungen zwischen der deutschen und der englischen Gerichtsbarkeit hat er darüber hinaus durch Gutachten für englische Richter zu Fragen des deutschen Rechts oder zur Anwendung englischer Rechtsinstitute im deutschen Recht und dadurch vertieft, daß er als Vertreter des Bundesgerichtshofs an der vom Lord Chancellor geleiteten Millennium Conference "Britain in Europe" am 7. April 2000 in London teilnahm.

Er war ferner deutscher Vertreter beim Seminar "Judicial Application of the European Judgements Conventions" 1999 in Lausanne und sprach auf Einladung der chinesischen Regierung im Dezember 2001 auf dem Century’s Theme Forum des Obersten Volksgerichts der Volksrepublik China in Peking über das Thema "Guaranteeing judicial impartiality und judicial efficiency in Germany". Ferner wurde er zu einem von zwei deutschen "Consultants" im EU Commercial Judges Forum bestimmt, das von deutscher, englischer und französischer Seite ins Leben gerufen wurde. Herr Kirchhof war ferner Mitglied der Sonderkommission "Internationales Insolvenzrecht" im Deutschen Rat für Internationales Privatrecht, die im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz im Jahre 1996/1997 Vorschläge für die Neugestaltung des deutschen internationalen Insolvenzrechts erarbeitete.

Karlsruhe, den 29. August 2003

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