Der Bundesgerichtshof

PRESSEMITTEILUNGEN
 
XML RSS

Dokumentsuche

Datum

Nummer

Suchbegriff

[Icon: Dreieck] Hilfe

 

Kalender

Mo Di Mi Do Fr Sa So
  1 2 3 4 5 6
7 8 9 10 11 12 13
14 15 16 17 18 19 20
21 22 23 24 25 26 27
28 29 30 31      

Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Monat Juli 2003 » Pressemitteilung Nr. 93/03 vom 11.7.2003

Siehe auch:  Urteil des 2. Strafsenats vom 11.7.2003 - 2 StR 531/02 -

vorheriges DokumentDokumentlistenächstes Dokument

Druckansicht

Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 93/2003

Urteil wegen Angriffs auf Angehörige der

"Skinhead"-Szene aufgehoben

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat das Urteil einer Jugendkammer des Landgerichts Bonn wegen eines Angriffs einer Gruppe junger Männer auf drei Angehörige der "Skinhead"-Szene im Juni 2001 auf die Revisionen eines der Geschädigten und eines Angeklagten weitgehend aufgehoben.

Nach den Feststellungen des Landgerichts trafen die vier Angeklagten, die sich in einer Gruppe von etwa 14 Personen befanden, am Tatabend in der Innenstadt von Siegburg zufällig auf drei junge Männer, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild der "Skinhead"-Szene zuzurechnen waren. Sie beschimpften diese als "Nazis"; der Angeklagte N. versetzte einem der drei einen Tritt; der Angeklagte C. schlug ihn mit der Faust ins Gesicht. Der Geschädigte D. richtete daraufhin zwei von ihm mitgeführte Gasrevolver auf die Gruppe, um weitere Angriff abzuwehren. Als dies nicht gelang, versuchten die drei zu fliehen; zwei von ihnen gelang dies. Der Nebenkläger S. wurde jedoch zu Fall gebracht und mit Tritten und Schlägen unter anderem durch die Angeklagten M. und T. traktiert. Währenddessen schleppte der Angeklagte N. einen 2,5 Meter langen, 10 cm dicken Pflanzpfahl herbei. Auf seinen Zuruf wichen die übrigen Angreifer von dem am Boden liegenden S. zurück; N. schlug nun mit dem Pfahl zweimal gezielt auf den Körper und zweimal gezielt auf den Hinterkopf des Opfers; den Tod des Geschädigten nahm er dabei billigend in Kauf. Dieser blieb nach den Schlägen regungslos liegen. Die Angeklagten entfernten sich vom Tatort; ein in einem anderen Verfahren inzwischen rechtskräftig verurteilter Angehöriger ihrer Gruppe blieb zurück und fügte dem Opfer weitere Mißhandlungen zu.

Das Landgericht hat den Angeklagten N. im Hinblick auf die Tat gegen den Nebenkläger wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und die Angeklagten M. und T. wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, den Angeklagten C. hat es insoweit freigesprochen. Von dem Vorwurf eines versuchten Tötungsdelikts hat das Landgericht die Angeklagten C., M. und T. freigesprochen.

Die Revision des Nebenklägers, der die Verurteilung aller Angeklagter wegen versuchten Mordes erstrebt, führte zur Aufhebung und Zurückverweisung des Urteils, weil die Begründung, mit welcher das Landgericht das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe bei dem Angeklagten N. verneint hat, nicht rechtsfehlerfrei war. Die Jugendkammer ist zutreffend davon ausgegangen, dass auch sogenannte "politische" Motive niedrige Beweggründe im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB sein können. Das gilt namentlich dann, wenn dem Opfer allein wegen seiner Zugehörigkeit zu einer politischen oder sozialen Gruppe das Lebensrecht abgesprochen wird und es ohne persönlichen Anlass, quasi als Repräsentant dieser Gruppe getötet werden soll. Solche Motive hat die Jugendkammer für die Mißhandlungen des Geschädigten D. ausdrücklich festgestellt, für das nachfolgende, auf Tötung des S. gerichtete Handeln des Angeklagten N. aber verneint und als Motiv die Drohung des D. mit den Gaspistolen angesehen.

Diese Feststellung war nach Auffassung des Senats nicht hinreichend belegt; die Annahme eines Motivwechsels hätte schon deshalb besonderer Begründung bedurft, weil nicht der Nebenkläger S., sondern D. mit den Pistolen gedroht hatte und die Angriffe gegen beide in engem zeitlichem und räumlichem Zusammenhang standen.

Auch der Annahme des Landgerichts, den Angeklagten C., M. und T. könne das auf Tötung gerichtete Handeln des N. nicht zugerechnet werden, weil sie von dem Geschädigten nicht deshalb zurückgewichen seien, um N. den Weg freizugeben, sondern allein aus Angst, selbst getroffen zu werden, fehlte nach Ansicht des Senats eine hinreichende Tatsachengrundlage. Nach den Feststellungen lag es nahe, dass es sich bei den Misshandlungen um ein einheitliches, vom gemeinschaftlichen Willen der Beteiligten getragenes Geschehen handelte. Hiermit hätte sich das Landgericht näher auseinandersetzen müssen. Der nach Zurückverweisung zuständige neue Tatrichter muss daher das Verhalten und das Zusammenwirken der Angeklagten insgesamt neu prüfen.

Die Revision des Angeklagten N. hatte nur teilweise Erfolg. Auf seine Revision hat der Senat das Urteil im Strafausspruch aufgehoben, weil die Begründung, mit der das Landgericht eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit verneint hat, Rechtsfehler aufwies.

Urteil vom 11. Juli 2003 – 2 StR 531/02

Karlsruhe, den 11. Juli 2003

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-5013

Telefax (0721) 159-5501

Druckansicht