Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 73/2003

Beschwerde im Ermittlungsverfahren gegen Christian G. wegen des Sprengstoffanschlags auf Djerba verworfen

 

Am 11. April 2002 verübte die Terrororganisation Al-Qaida in Djerba (Tunesien) einen Sprengstoffanschlag auf die Synagoge "La Ghriba", bei welchem 21 Menschen, darunter 14 deutsche Touristen und der Attentäter, der tunesische Staatsangehörige Nizar Naour alias "Saif", getötet und weitere Personen verletzt wurden.

Unmittelbar nach der Tat leitete der Generalbundesanwalt u.a. gegen den Beschuldigten Ermittlungen ein. Bei mehreren Vernehmungen räumte dieser enge Verbindungen zu Al-Qaida ein, blieb aber auf freiem Fuß. Nachdem der Beschuldigte die Bundesrepublik Deutschland verlassen hatte und in Saudi Arabien festgenommen worden war, hat der Generalbundesanwalt am 25. April 2003 beantragt, den Beschuldigten wegen Nichtanzeige des geplanten Anschlags (Vergehen nach § 138 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 9 StGB) in Untersuchungshaft zu nehmen. Der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof hat den Erlaß des Haftbefehls abgelehnt. Die dagegen eingelegte Beschwerde hat der für Staatsschutzsachen zuständige 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs verworfen. Er hat - wie zuvor auch der Ermittlungsrichter - den für die Anordnung von Untersuchungshaft erforderlichen dringenden Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 StPO) verneint. Zur Begründung hat er im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Es fehlt an zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, daß der Beschuldigte entsprechend den Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 StGB von dem geplanten Sprengstoffanschlag auf die Synagoge "La Ghriba" - jedenfalls in den Grundzügen der Tat - Kenntnis hatte und dies so früh, daß das Attentat bei einer sofortigen Anzeige noch hätte verhindert werden können. Die engen Kontakte des Beschuldigten zu hochrangigen Funktionären der Al-Qaida und dem Attentäter lassen nicht den Schluß zu, daß dieser bei seinem Aufenthalt in Afghanistan im August/September 2001 von Planungen für den Sprengstoffanschlag erfahren hatte. Es ist schon offen, ob damals bereits entsprechende Planungen existierten. Vor allem hätte es aus der Sicht von Al-Qaida fern gelegen, den Beschuldigten in den geplanten Sprengstoffanschlag einzuweihen und dadurch die Gefahr einer vorzeitigen Entdeckung zu erhöhen. Zur Kommandoebene der Al-Qaida gehörte der Beschuldigte nach den mit dem Haftbefehlsantrag und der Beschwerdebegründung vorgelegten Erkenntnissen nicht.

Der Inhalt des Telefonats wenige Stunden vor dem Anschlag, bei dem der Beschuldigte dem Attentäter auf dessen Bitte hin den "Segen" ("Gehe mit Frieden, Gottes Gnade und Segen sei mit dir. Gott möge dich belohnen") erteilte, deutet zwar auf ein bevorstehendes, aus der Sicht des Anrufers bedeutsames Ereignis, möglicherweise auch einen Selbstmordanschlag, hin. Er enthält aber keine Hinweise auf eine nach Ort oder sonstigen Umständen konkretisierte Straftat, die noch hätte verhindert werden können. Solche Hinweise konnte auch der vom Beschwerdeführer mit der Auswertung des Telefonats beauftragte Sachverständige nicht erkennen.

Auch die Voraussetzungen eines auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder deren Unterstützung gestützten Haftbefehls liegen nicht vor. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß der Beschuldigte einer inländischen terroristischen Vereinigung (§ 129 a StGB) angehörte oder diese unterstützte, sind nicht ersichtlich. Zwar sprechen gewichtige Indizien im Sinne eines dringenden Tatverdachts dafür, daß der Beschuldigte sich als Mitglied oder Unterstützer der Al-Qaida betätigt hat; die Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung war jedoch bis zum Inkrafttreten des § 129 b StGB am 30. August 2002 nicht strafbar. Daß der Beschuldigte nach diesem Zeitpunkt weiter für die Al-Qaida tätig geworden ist, wird durch die vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel nicht belegt. Aus seiner früheren Tätigkeit für die Al-Qaida kann im Hinblick auf die gegen ihn ab April 2002 geführten Ermittlungen nicht ohne weiteres auf eine Fortführung solcher Tätigkeiten ab 30. August 2002 geschlossen werden.

Sollten sich im Zuge der weiteren Ermittlungen im Anschluß an die Festnahme des Beschuldigten in Paris insofern neue Erkenntnisse ergeben, wird der Beschwerdeführer diese gegebenenfalls zum Anlaß für einen neuen Haftbefehlsantrag nehmen können.

BGH, Beschl. vom 13. Juni 2003 - StB 6/03

Karlsruhe, den 13. Juni 2003

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