Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 67/2003

Strafmilderung für betrunkene Täter?

Nach § 21 StGB kann der Strafrichter den Strafrahmen, den das Gesetz für bestimmte Straftaten (etwa einen Diebstahl oder einen Totschlag) vorsieht und aus dem die Strafe für die konkrete Tat entnommen werden muß, nach näherer gesetzlicher Regelung (§ 49 StGB) herabsetzen, wenn die Schuldfähigkeit des Täters bei Begehung der Tat zwar nicht vollständig entfallen, aber erheblich vermindert war. Das gilt auch für den Fall, daß die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters durch Alkoholkonsum bedingt ist. Obgleich § 21 StGB nach seinem Wortlaut als Kann-Vorschrift ("kann ... gemildert werden") ausgestaltet ist, hat sich die Rechtspraxis - entsprechend den Vorgaben des Bundesgerichtshofs - dahin ent-wickelt, daß die Strafrahmenmilderung auch in Fällen selbstverschuldeter trunkenheitsbedingter Verminderung der Schuldfähigkeit zur Regel geworden ist.

In einem Revisionsverfahren beim Bundesgerichtshof hat ein Angeklagter geltend gemacht, daß das Landgericht in seiner Sache von einer Strafrahmenverschiebung zu Unrecht abgesehen habe, weil es seiner Einlassung, in den Stunden vor der Straftat (einer Vergewaltigung) zwei Flaschen Weißwein getrunken zu haben, nicht gefolgt war. Die Revisionsrüge hatte keinen Erfolg, weil das Landgericht, wie der mit der Sache befaßte 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs ausgeführt hat, den Trinkmengenangaben des Angeklagten unter den festgestellten Umständen zu Recht nicht geglaubt hat. In seinem Urteil hat der Senat aber - über die Entscheidung des Einzelfalls hinausgehend - zum Ausdruck gebracht, daß er die bisherige Rechtsprechung für überprüfungsbedürftig hält. Er ist der Auffassung, daß eine Strafrahmenmilderung in der Regel nicht in Betracht kommt, wenn der Täter die erhebliche Verminderung seiner Schuldfähigkeit durch verschuldete Trunkenheit herbeigeführt hat. Für diese Auffassung spricht - abgesehen von eher rechtsdogmatischen Erwägungen, insbesondere auch solchen aus der Entstehungsgeschichte des § 21 StGB bzw. der Vorgängervorschrift - vor allem die Tatsache, daß die enthemmende Wirkung des Alkohols und die Gefahr einer deutlichen Herabsetzung der Hemmschwelle bei erheblichem Konsum heute allgemein bekannt sind. Im Hinblick darauf besteht regelmäßig kein Anlaß, die Straftat eines Täters, der sich schuldhaft in einen Alkoholrausch versetzt hat, in einem milderen Licht zu sehen. Im Einzelfall - etwa bei Taten von alkoholkranken Tätern - mag ausnahmsweise eine andere Betrachtung angezeigt sein.

Die Entscheidung des 3. Strafsenats bedeutet aktuell noch keine Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Sie könnte aber - bei Zustimmung der anderen Strafsenate oder nach Anrufung des Großen Senats für Strafsachen - eine solche Änderung herbeiführen.

Urteil vom 27. März 2003 - 3 StR 435/02

Karlsruhe, den 23. Mai 2003

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