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Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Monat April 2002 » Pressemitteilung Nr. 45/02 vom 25.4.2002

Siehe auch:  Urteil des I. Zivilsenats vom 25.4.2002 - I ZR 250/00 -

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Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 45/2002

 

 

Elektroarbeiten von Stadtwerken für private Auftraggeber - ein

unlauterer Wettbewerb?

 

Dem erwerbswirtschaftlichen Handeln von Gemeinden werden durch die Gemeindeordnungen der Bundesländer Schranken gesetzt. Diese Vorschriften sollen die Gemeinden vor den Gefahren einer zu weit gehenden unternehmerischen Tätigkeit schützen und zugleich verhindern, daß sie ihre Erwerbstätigkeit zu sehr zu Lasten privater Unternehmen ausdehnen. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte können sich private Unternehmen jedoch nur in engen Grenzen mit öffentlich-rechtlichen Ansprüchen dagegen wenden, daß Gemeinden derartige Vorschriften verletzen.

Der u.a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hatte über die sehr umstrittene Frage zu entscheiden, ob ein Wettbewerber aufgrund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) von einem städtischen Unternehmen verlangen kann, keine Arbeiten für private Auftraggeber zu übernehmen und auszuführen, wenn es mit einer solchen erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit gegen die Vorschriften der Gemeindeordnung (hier: Art. 87 der Bayer. Gemeindeordnung, BayGO) verstößt.

Dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die beklagten Stadtwerke der Landeshauptstadt München wurden im Jahre 1998 aus einem städtischen Eigenbetrieb in eine GmbH im Alleinbesitz der Stadt umgewandelt. Seitdem führt die Beklagte auch für private Auftraggeber Elektroarbeiten aus, darunter auch das Aufstellen und das Entfernen von Verteilerschränken für die "fliegenden Bauten" auf der Auer Dult und auf dem Oktoberfest.

Die Klägerin, ein Unternehmen des Elektrohandwerks, hat Unterlassungsklage erhoben, weil die Übernahme privater Auftragsarbeiten durch die Stadtwerke nicht mit den Vorschriften zur Begrenzung der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit der Gemeinden vereinbar sei. Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat die Ansicht vertreten, daß eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit einer Gemeinde nicht schon deshalb als unlauterer Wettbewerb gegenüber privaten Konkurrenten angesehen werden könne, weil sie der Gemeinde nach Kommunalrecht untersagt sei. Ansprüche aus dem UWG richteten sich gegen unlauteres Wettbewerbsverhalten auf dem Markt. Sie hätten nicht den Sinn, Wettbewerbern zu ermöglichen, andere unter Berufung darauf, daß ein Gesetz ihren Marktzutritt verbiete, vom Markt fernzuhalten, wenn das betreffende Gesetz den Marktzutritt nur aus Gründen verhindern wolle, die den Schutz des lauteren Wettbewerbs nicht berührten. Unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts, das auch die Freiheit des Wettbewerbs schütze, sei vielmehr jede Belebung des Wettbewerbs, wie sie unter Umständen auch vom Marktzutritt der öffentlichen Hand ausgehen könne, grundsätzlich erwünscht. Erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten, die einer Gemeinde nach Art. 87 BayGO untersagt sein könnten, seien als solche nicht unlauter, und zwar auch dann nicht, wenn sie von einer Gemeinde ausgeübt würden. Die Unlauterkeit einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit einer Gemeinde könne sich zwar gerade auch aus ihrer Eigenschaft als öffentlich-rechtlicher Gebietskörperschaft und der damit verbundenen besonderen Stellung gegenüber den anderen Marktteilnehmern, insbesondere den Verbrauchern, ergeben - etwa wenn öffentlich-rechtliche Aufgaben mit der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit verquickt würden, die amtliche Autorität oder das Vertrauen in die Objektivität und Neutralität der Amtsführung mißbraucht werde oder der Bestand des Wettbewerbs auf dem einschlägigen Markt gefährdet werde. Auf derartige Umstände stelle die Gemeindeordnung aber nicht ab.

Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung könne sich nur auf die Art und Weise der Beteiligung der öffentlichen Hand am Wettbewerb beziehen. Davon sei die allgemeinpolitische und wirtschaftspolitische Frage zu unterscheiden, ob sich die öffentliche Hand überhaupt erwerbswirtschaftlich betätigen dürfe und welche Grenzen ihr insoweit gesetzt seien oder gesetzt werden sollten. Die Lösung dieser Frage sei Aufgabe der Gesetzgebung und Verwaltung sowie der parlamentarischen Kontrolle und für die Gemeinden und Landkreise gegebenenfalls der Kommunalaufsicht, nicht aber der ordentlichen Gerichte bei der ihnen zustehenden Beurteilung von Wettbewerbshandlungen nach dem UWG. Dies gelte auch dann, wenn besondere Vorschriften zur Einschränkung der erwerbswirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand erlassen worden seien. Denn auch diese regelten nur den Zugang zum Wettbewerb und sagten nichts darüber aus, wie er auszuüben sei.

Urteil vom 25. April 2002 - I ZR 250/00

Karlsruhe, den 25. April 2002

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-422

Telefax (0721) 159-831

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