Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 34/2002

 

Prozeß gegen mutmaßliche Al - Quaida - Terroristen

verbleibt in Frankfurt

Die Richterräte des Landgerichts und des Amtsgerichts Frankfurt a.M., der Staatsanwaltsrat beim Landgericht Frankfurt a.M. sowie die Personalräte des Landgerichts und des Amtsgerichts Frankfurt a.M. haben sich mit dem "Antrag (Anregung)" an den Bundesgerichtshof gewandt, die Untersuchung und Entscheidung in einer zur Zeit beim 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. anhängigen Strafsache wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemäß § 15 StPO dem Oberlandesgericht eines anderen Bezirks zu übertragen, weil von der Verhandlung in Frankfurt a.M. eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu besorgen sei. Zur Begründung haben sie darauf hingewiesen, daß die Angeklagten des genannten Verfahrens im Verdacht stünden, der arabischen Terrorgruppe "Al Quaida" anzugehören, und die Verhandlung der Strafsache in der Innenstadt von Frankfurt a.M. in dem vielbesuchten Justizzentrum an der Konstablerwache zu einer außerordentlichen Gefahr führe, der angesichts der örtlichen sowie baulichen Gegebenheiten durch polizeiliche Sicherheitsmaßnahmen nicht ausreichend begegnet werden könne. Die Antragsteller haben angeregt, die Sache einem anderen Oberlandesgericht zu übertragen, dem – wie etwa dem Oberlandesgericht Stuttgart (in Stammheim) – zur Durchführung der Hauptverhandlung besonders geschützte Gebäude und Räumlichkeiten zur Verfügung stünden, die den gesteigerten Sicherheitsanforderungen gerecht würden.

Der für Staatsschutzsachen zuständige 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat es abgelehnt, das Verfahren gemäß § 15 StPO an ein anderes Oberlandesgericht zu übertragen. Er hat offengelassen, welcher Anwendungsbereich dieser aus dem 19. Jahrhundert stammenden, an dem Bild lokaler Unruhen orientierten Vorschrift unter den Gegebenheiten einer "mobilen Gesellschaft" und angesichts der Existenz eines international agierenden Terrorismus überhaupt noch zukommen kann. Im Hinblick auf die Verfassungsgarantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) kommt eine Übertragung jedenfalls nur dann in Betracht, wenn die bestehende Gefahr nicht auf andere Weise als durch einen Eingriff in das gesetzliche Zuständigkeitssystem beseitigt werden kann. Anhaltspunkte dafür, daß die Justiz- und Sicherheitsbehörden des Landes Hessen nicht in der Lage wären, den von den Antragstellern geltend gemachten Gefahren für die öffentliche Sicherheit auch bei einer Durchführung des Verfahrens vor dem zuständigen Oberlandesgericht Frankfurt durch geeignete Maßnahmen - erforderlichenfalls durch Verlegung der Verhandlung in ein besonders gesichertes Areal oder Gebäude - zu begegnen, sind nicht ersichtlich.

Ob die Verhandlung der Strafsache an dem dafür vorgesehenen Verhandlungsort im Justizgebäude an der Konstablerwache mit einem unvertretbaren Sicherheitsrisiko verbunden wäre, wie die Antragsteller meinen, oder ob die Gefahr über das Maß eines niemals auszuschließenden Restrisikos nicht hinausgeht, wie der Generalbundesanwalt in seiner Stellungnahme näher ausführt, hatte der Senat nicht zu entscheiden. Dies obliegt dem zuständigen Gericht in Abstimmung mit den dazu berufenen Sicherheitsorganen.

Beschluß vom 4. April 2002 - 3 ARs 17/02

Karlsruhe, den 4. April 2002

 

§ 15 StPO lautet:

Ist das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Falle an der Ausübung des Richteramts rechtlich oder tatsächlich verhindert oder ist von der Verhandlung vor diesem Gericht eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu besorgen, so hat das zunächst obere Gericht die Untersuchung und Entscheidung dem gleichstehenden Gericht eines anderen Bezirks zu übertragen.

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-422

Telefax (0721) 159-831