Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 98/2002

 

Urteil im "Guben-Prozeß" im wesentlichen rechtskräftig

Das Landgericht Cottbus hat elf Angeklagte nach 17monatiger Hauptverhandlung wegen, in verschiedener Beteiligung in Guben begangener Straftaten überwiegend zu Jugendstrafen verurteilt. Im Mittelpunkt des Verfahrens stand ein Geschehen in der Nacht zum 13. Februar 1999. Im Anschluß an einen Streit zwischen deutschen und ausländischen Besuchern einer Diskothek beschlossen die Angeklagten, einen der Ausländer, der sich bei dem Streit besonders aktiv beteiligt hatte, zu suchen und gewaltsam zu ergreifen. Nachdem sie das Stadtgebiet in ihren Pkw durchstreift hatten, erblickten die Angeklagten in der Nähe der Diskothek drei Ausländer. Sie bremsten die Fahrzeuge unmittelbar vor diesen scharf ab, und einige der Angeklagten sprangen aus den Wagen. Die Ausländer ergriffen die Flucht. Die Angeklagten setzten daraufhin die Verfolgung zunächst mit den Wagen fort. Nachdem sie die Fliehenden erreicht hatten, verließen fünf der Angeklagten die Pkw und liefen laut schreiend hinter den panisch fliehenden Ausländern her. Während ein Angeklagter einen der Flüchtenden einholte und diesen mehrfach trat, kehrten die weiteren Angeklagten zu den Fahrzeugen zurück, da sie die beiden anderen Ausländer aus den Augen verloren hatten oder ihnen der Vorsprung für eine Verfolgung zu Fuß zu groß erschien. Ihr Vorhaben, die Flüchtenden zu ergreifen, hatten die Angeklagten aber noch nicht aufgegeben; mittels ihrer Fahrzeuge durchsuchten sie deshalb die nähere Umgebung. Indes wähnten die beiden Fliehenden die Angeklagten noch immer unmittelbar hinter sich. In Todesangst trat einer von ihnen deshalb die gläserne Haustür eines Wohnhauses ein, um dort Zuflucht zu finden. Bei dem Tritt oder beim Einsteigen in das Haus zog er sich eine Verletzung der Schlagader in der Kniekehle zu. Innerhalb kurzer Zeit kam es zu einem massiven Blutverlust und zum Tod des Opfers.

Die Strafkammer hat das Verhalten der Angeklagten, soweit sie aktiv an der Verfolgung beteiligt waren, als Nötigung aller Opfer, darüber hinaus die Tritte als gefährliche Körperverletzung zu Lasten des einen und das Vorgehen aller Angeklagten, das zum Tod des weiteren Flüchtlings geführt hat, als fahrlässige Tötung gewertet. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten hatten keinen Erfolg, die Revisionen der Nebenkläger dagegen einen Teilerfolg.

Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Abtrennung des Verfahrens gegen einen der Angeklagten die die anderen Angeklagten betreffenden Schuldsprüche geändert. Entgegen der Auffassung des Landgerichts haben sich die aktiv an der Verfolgung beteiligten Angeklagten nicht nur wegen Nötigung und (vollendeter) gefährlicher Körperverletzung des einen Flüchtlings, sondern auch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung der beiden anderen Ausländer strafbar gemacht, weil sie zu den Körperverletzungen schon unmittelbar angesetzt hatten. Da dies zum Tod des einen Opfers geführt hat, haben sich die Angeklagten zudem wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht. Auf Art und Höhe der verhängten Strafen hatte dies hier indes keinen Einfluß. Denn dem größeren Unrechtsgehalt des geänderten Schuldspruchs stand der seit der Verkündung des tatrichterlichen Urteils verstrichene Zeitraum von fast zwei Jahren gegenüber, der bei erneuter Strafbemessung gerade im Bereich des Jugendstrafrechts zu Gunsten der Angeklagten berücksichtigt werden müßte. Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist das Strafverfahren im wesentlichen rechtskräftig abgeschlossen.

Urteil vom 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02

Karlsruhe, den 9. Oktober 2002

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