Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 104/2002

Verurteilung des Rechtsextremisten Roeder

im Schuldspruch rechtskräftig

Das Landgericht Frankfurt am Main hat den wegen Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund mehrfach vorbestraften Angeklagten der schweren Verunglimpfung des Staates (§ 90 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StGB) schuldig gesprochen und ihn zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Nach den Feststellungen der Strafkammer verfaßte der Angeklagte im April 2000 einen "Offenen Brief an alle Mitglieder des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung", den er auch an ihm Gleichgesinnte und Haushalte versandte sowie im Internet publizierte. In dem vierseitigen Schreiben, in dem er seine Auffassungen zu verschiedenen politischen Fragen darlegte und den Politikern Versagen bei deren Behandlung vorwarf, erklärte er u.a.: ... "Die Regierung hat aus der Bundesrepublik einen käuflichen Saustall gemacht. ... Die Bundesrepublik ist kein Staat. ... Das Grundgesetz ist keine Verfassung. ... Die Bundesrepublik gehört zum traurigsten und würdelosesten Abschnitt unserer deutschen Geschichte und muß so schnell wie möglich beendet und durch das Reich ersetzt werden."

Der für die Revision des Angeklagten zuständige 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat den Schuldspruch bestätigt. Nach der Entscheidung hat das Landgericht die Äußerungen rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, daß mit dem "Reich", das die als verachtenswert denunzierte Bundesrepublik ersetzen solle, das "Dritte Reich", also eine Gewalt- und Willkürherrschaft, und nicht - wie vom Angeklagten behauptet - das "Reich Bismarcks" gemeint sei. Bei der gebotenen Abwägung mit dem Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit hat es dem Schutz des Staates vor den böswillig verächtlich machenden Äußerungen des Angeklagten zutreffend den Vorrang eingeräumt. Sein Recht, zielgerichtet politisch zu agieren, wird durch den Schuldspruch nicht unzulässig beschränkt.

Im Strafausspruch hat der Bundesgerichtshof das Urteil aufgehoben, weil das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit - entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - auch bei der Zumessung der Sanktion für die strafbaren Äußerungen beachtet werden muß und das Landgericht die erforderliche Abwägung auf der Ebene der Strafzumessung nicht erkennbar vorgenommen hat. Über die Höhe der Strafe muß deshalb eine andere Strafkammer des Landgerichts neu verhandeln und entscheiden.

Beschluß vom 15. Oktober 2002 - 3 StR 270/02

Karlsruhe, den 30. Oktober 2002

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