Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr.106/2002

 

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof

Dr. Gerhard Schäfer im Ruhestand

 

Am 31. Oktober 2002 wird der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Dr. Gerhard Schäfer in den Ruhestand treten.

Herr Dr. Schäfer wurde am 18. Oktober 1937 in Stuttgart geboren. Er ist verheiratet und hat drei inzwischen erwachsene Töchter. Seine juristische Laufbahn begann Herr Dr. Schäfer nach Abschluß seiner Ausbildung im Jahre 1965 zunächst als Rechtsanwalt in Stuttgart. Im Oktober 1967 wurde er in den höheren Justizdienst des Landes Baden-Württemberg übernommen. Nach gut einjähriger Tätigkeit als Gerichtsassessor bei dem Amtsgericht Stuttgart wurde er dort im November 1968 unter Berufung in das Richterverhältnis auf Lebenszeit zum Amtsgerichtsrat und – im Anschluß an eine Abordnung an das Landgericht Stuttgart – im März 1972 zum Landgerichtsrat bei diesem Gericht ernannt. Von Mai bis Dezember 1973 war Herr Dr. Schäfer mit der Hälfte seiner Arbeitskraft als Hilfsrichter an den 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart abgeordnet. Bereits im Oktober 1974 folgte seine Ernennung zum Vorsitzenden Richter am Landgericht Stuttgart. Dieses Amt bekleidete Herr Dr. Schäfer bis zu seinem Übertritt zum Bundesgerichtshof.

Zum Richter am Bundesgerichtshof ist Herr Dr. Schäfer am 3. Juli 1989 ernannt worden. Das Präsidium hat ihn zunächst dem 2. Strafsenat und für kurze Zeit daneben dem 3. Strafsenat zugewiesen. Am 1. Mai 1991 wechselte er zum 5. Strafsenat in Berlin, dem er bis zum 19. August 1996 – zuletzt zugleich als Mitglied im Großen Senat für Strafsachen – angehörte. Daneben war er seit Januar 1993 Mitglied und stellvertretender Vorsitzender des Senats für Wirtschaftsprüfersachen und des Senats für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen. Seit seiner Ernennung zum Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof am 20. August 1996 ist Herr Dr. Schäfer Vorsitzender des 1. Strafsenats.

Als Vorsitzender des 1. Strafsenats hat Herr Dr. Schäfer an einer ganzen Reihe wichtiger strafrechtlicher Entscheidungen mitgewirkt. Zu nennen sind vor allem die Grundsatzentscheidungen zur Schuldfähigkeit alkoholisierter Täter (BGHSt 43, 66), zur Haushaltsuntreue (BGHSt 43, 293), zur Glaubwürdigkeitsbeurteilung (BGHSt 43, 256 und 45, 164) sowie zur Zulässigkeit des Einsatzes sogenannter Lügendetektoren (BGHSt 44, 308), zur audiovisuellen Zeugenvernehmung (BGHSt 45, 188), zur Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (BGHSt 45, 321 – Tatprovokation, und BGHSt 46, 93 – Fragerecht), zur Strafbarkeit von Internet-Delikten (BGHSt 46, 212 – Auschwitzlüge, und BGHSt 47, 55 – Kinderpornografie) sowie zur Bankenuntreue (BGHSt 46, 30 und 47, 148).

Während seiner Zugehörigkeit zum 5. Strafsenat hat Herr Dr. Schäfer vor allem an Entscheidungen im Rahmen der Aufarbeitung des DDR-Unrechts mitgewirkt. Er war unter anderem Berichterstatter in dem Grundsatzverfahren zur mittelbaren Täterschaft (BGHSt 40, 218 – Nationaler Verteidigungsrat der DDR). Auch die Entscheidung in dem Verfahren "Mord am Bülowplatz 1931" gegen Erich Mielke (BGHSt 41, 72) stammt aus seiner Feder.

Neben seiner spruchrichterlichen Tätigkeit ist Herr Dr. Schäfer durch zahlreiche Veröffentlichungen, insbesondere zum Strafverfahrensrecht, hervorgetreten. Beispielhaft erwähnt seien seine Kommentierung der Vorschriften über Beschlagnahme, Überwachung des Fernmeldeverkehrs und Durchsuchung (§§ 94 bis 111n StPO) in dem Großkommentar zur Strafprozessordnung von Löwe/Rosenberg sowie seine bereits in sechster bzw. dritter Auflage vorliegenden Monographien "Die Praxis des Strafverfahrens" und "Praxis der Strafzumessung". Viel beachtet wurde auch sein Referat auf dem 58. Deutschen Juristentag im Jahr 1990 zur Verständigung im Strafverfahren. Hervorzuheben sind des weiteren seine langjährige Mitarbeit im Strafrechtsausschuß der Bundesrechtsanwaltskammer und sein großes Engagement bei Fortbildungsveranstaltungen für Justizangehörige und Rechtsanwälte.

Am 18. Oktober 2002 hat im Kloster Eberbach ein Symposium zu Ehren von Herrn Dr. Schäfer stattgefunden, auf dem namhafte Vertreter der Strafrechtswissenschaft, der Gerichtsbarkeit und der Anwaltschaft Vorträge gehalten haben.

Karlsruhe, den 31. Oktober 2002

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

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