Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 108/2002

 

Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Finanzaffäre Koch

 

Der für Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat hat entschieden, wie die von dem Finanzmakler Koch veranlaßten Zahlungen unter den Kommunen rückabzuwickeln sind.

Koch vermittelte langjährig Kassenkredite in Höhe vieler Millionen DM zwischen insgesamt etwa 350 Landkreisen, Städten und Gemeinden mit verfügbaren liquiden Mitteln einerseits und solchen mit aktuellem Kreditbedarf andererseits. Nachdem die Geschäfte anfangs ordnungsgemäß jeweils zwischen der kreditgebenden und der kreditnehmenden Kommune abgewickelt wurden, gelang es Koch durch verschiedene Täuschungsmanöver, einige Städte und Gemeinden zu Zahlungen in Millionenhöhe auf sein eigenes Konto zu veranlassen und die Gelder beiseite zu schaffen. Die entstandenen Finanzlücken schloß er nach der Art eines Schneeballsystems, indem er in zahlreichen Fällen Kommunen vorspiegelte, eine bestimmte andere Gemeinde wünsche einen Kredit, und der angeblich kreditnehmenden Gemeinde gleichzeitig mitteilte, bei dem demnächst eingehenden Überweisungsbetrag handele es sich um die Rückzahlung eines Darlehens, das die Überweisungsempfängerin einige Zeit zuvor einer anderen Gemeinde gewährt hatte. In einem Teil der Fälle teilte Koch angeblich kreditgebenden Gemeinden mit, die Darlehensvaluta sei auf Weisung der Kreditnehmerin direkt zur Ablösung eines bisher bei einer dritten Gemeinde aufgenommenen Kredits an diese zu überweisen. Die Kämmerer der beteiligten Landkreise, Städte und Gemeinden vertrauten auf die Angaben von Koch, ohne diese durch Kontaktaufnahme mit dem jeweiligen angeblichen Vertragspartner zu überprüfen.

In einem Rechtsstreit zwischen einer Gemeinde und einem Landkreis, die sich aufgrund der Täuschungen von Koch beide als Kreditgeber sahen, hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in Anknüpfung an seine bisherige Rechtsprechung (insbesondere BGHZ 147, 145 ff.) entschieden, daß der getäuschten überweisenden Gemeinde in solchen Fällen jeweils ein bereicherungsrechtlicher Anspruch gegen die Überweisungsempfängerin zusteht. Daß sich der Überweisungsbetrag aus der Sicht der ebenfalls getäuschten Überweisungsempfängerin als Leistung einer dritten Gemeinde dargestellt habe, sei ohne Belang. Bloße irrige Vorstellungen der Überweisungsempfängerin schafften weder ein Leistungsverhältnis noch einen Rechtsgrund für die eingegangene Überweisung. Auf einen besonderen Vertrauensschutz könne sich die Überweisungsempfängerin angesichts ihres leichtfertigen Vertrauens auf die Angaben von Koch ebensowenig berufen wie die nicht minder vertrauensselige überweisende Gemeinde, zumal sich die Überweisungsempfängerin ihrerseits wiederum an die Gemeinde halten könne, der sie vermeintlich ein Darlehen gewährt habe.

Im Ergebnis haben danach alle getäuschten vermeintlich kreditgebenden Gemeinden Ansprüche auf Herausgabe der von ihnen überwiesenen Beträge zuzüglich Nutzungszinsen gegen die jeweiligen Überweisungsempfänger. Soweit es sich bei den Überweisungsempfängern um Landkreise, Städte oder Gemeinden handelt, dürften die überweisenden Landkreise oder Kommunen ihre Ansprüche realisieren können und im Endergebnis keinen größeren Schaden erleiden. Anders ist dies bei den Landkreisen, Städten und Gemeinden, die Beträge an Koch, der sich nach Namibia abgesetzt hat, überwiesen haben.

Urteil vom 5. November 2002 – XI ZR 381/01

Karlsruhe, den 5. November 2002

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