Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 45/2001

 

Bundesgerichtshof zur Sachverständigenhaftung

 

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über die Haftung eines in einem behördlichen Verfahren von der Behörde zugezogenen Sachverständigen gegenüber einem Dritten zu entscheiden.

Die Klägerin ist Mehrheitsaktionärin eines teilkonzessionierten Kreditinstituts. Dieses Kreditinstitut beantragte Ende 1992 beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen eine Vollbankerlaubnis. Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen ordnete vor der Entscheidung über diesen Antrag gegenüber der Klägerin eine Sonderprüfung nach § 44 b KWG an, mit der die Beklagte, eine Wirtschaftsprüfergesellschaft, beauftragt wurde. Der Prüfbericht der Beklagten befaßte sich u.a. mit einem von der Klägerin angebotenen Vermögensanlagemodell. Auf Beanstandungen der Klägerin hin korrigierte die Beklagte ihre in dem Prüfbericht in Bezug auf das Vermögensanlagemodell enthaltene Aussage teilweise. Die Klägerin hielt die Korrekturen für unzureichend und meint, der Beklagten seien bei der Erstattung des Gutachtens schwere Fehler unterlaufen; sie verlangte mit ihrer Klage Schadensersatz wegen der nach ihrer Ansicht fehlerhaften gutachterlichen Äußerung der Beklagten, daß bei dem von der Klägerin angebotenen Vermögensanlagemodell ein Anlageerfolg von über 18 bzw. 14 % erzielt werden müsse, um im zehnten Jahr den vom Anleger eingezahlten Betrag auszahlen zu können. Den Schaden sieht sie darin, daß die beantragte Vollbankerlaubnis bisher nicht erteilt wurde.

Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat auch die Revision zurückgewiesen. Er hat insbesondere Schadensersatzansprüche gegen den von dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen zugezogenen Sachverständigen unter dem Gesichtspunkt eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte verneint. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die stillschweigend Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich eines Vertrages insbesondere bei Verträgen anzunehmen, mit denen der Auftraggeber von einer Person, die über besondere vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt, wie z.B. ein öffentlich bestellter Sachverständiger, ein Wirtschaftsprüfer oder ein Steuerberater ein Gutachten bestellt, um davon gegenüber einem Dritten Gebrauch zu machen. In die Schutzwirkung eines Vertrages über die Erstattung eines Gutachtens durch einen öffentlich bestellten Sachverständigen zum Wert eines Grundstücks sind danach alle diejenigen einbezogen, denen das Gutachten nach seinem erkennbaren Zweck für Entscheidungen über Vermögensdispositionen vorgelegt werden soll. Dies gilt jedoch nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht in gleicher Weise in Fällen, in denen eine Behörde im Rahmen der ihr im öffentlichen Interesse obliegenden Verwaltungsaufgaben einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Durch diese Form der Sachverhaltsaufklärung wird der Dritte nicht ohne weiteres in den Schutzbereich des Vertrages der Behörde mit dem von ihr zugezogenen Sachverständigen einbezogen.

Urteil vom 26. Juni 2001 - X ZR 231/99

Karlsruhe, den 26. Juni 2001

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